Mit ihrem handgeschriebenen Kochbuch hat Marie Pieper aus Brome ihren heute ebenfalls in Brome lebenden Verwandten ein interessantes und aufschlussreiches Dokument hinterlassen.
Sie wurde am 11. Juni 1865 als Marie Henriette Dorothea Pieper in Brome geboren, heiratete am 11. November 1892 den Lackierer Johann Hermann Heinrich Friedrich und starb im Alter von 75 Jahren am 06. Juli 1940 in Brome.
Mit dem Datum 19. Juli 1887 auf der ersten Seite wird der Beginn der handgeschriebenen Aufzeichnungen festgehalten. Marie Pieper war 22 Jahre alt, als sie anfing, das Rezeptbuch zu schreiben.
An den Anfang hat sie einen Sinnspruch gesetzt, der einiges über die von dem sozialen Umfeld erwarteten Tugenden und das eigene Selbstverständnis der jungen Frau erkennen lässt.
Man betrachte ihn nur recht den schönen Ring und man findet darin die fünf Edelsteine: „Ordnung, Fleiß, Sparsamkeit, Genügsamkeit und Zurückgezogenheit.“ Alle fünf so geschmackvoll geordnet und gefasst, dass der Glanz des Einen immer den des Anderen erhöht und das Ganze immer herrlicher erscheint, je näher man es betrachtet.
Vereinigt sich reine Religiosität mit diesem unschätzbaren Sinn für Häuslichkeit; dann ist unser wahrer Herzensfriede für unsere … Lebensweise geliefert.
Betrachtet man die in deutscher Schrift geschriebenen Rezepte eingehender, kann man erkennen, dass es sich kaum um ein „Arme-Leute-Kochbuch“ gehandelt haben kann.
Johann Dietrich Bödeker führt in seiner Chronik „Das Land Brome und der obere Vorsfelder Werder“ an, dass die Landwirtschaft im 19. Jahrhundert u.a. durch den Einsatz von Kunstdünger und den Anbau von Zuckerrüben einen bedeutenden Aufschwung nahm.
1865 wurde in Brome auch ein Spar- und Vorschussverein gegründet, der das Kreditwesen ermöglichte und damit notwendige Investitionen erleichterte.
Sicher war unter dies en verbesserten Rahmen Bedingungen auch in Brome ein höherer Lebensstandard möglich.
Denkbar ist aber auch, dass das Buch für eine Anstellung in einem „besseren Haushalt“ benötigt wurde. Leider war über die Biografie der Marie Pieper – außer ihrem Geburts- Hochzeits- und Todestag – nichts Wesentliches zu erfahren.
Die Vielfalt der angeführten Speisen steht einem heutigen Kochbuch nicht nach. Nicht nur einheimische Zutaten wurden verwandt, Marie Pieper kannte 1887 auch Oliven, Trüffel und Morchel. Neben Hühnchen, Enten, Gänse, Puten und Tauben gab es Rezepte mit Kalb, Hase, Schwein, Hammel, Wild und dazu diverse deftige Bratenfüllungen.
Man verarbeitete Krebsbutter und Krebsschwänze zu leckeren Gerichten. Verschiedene Weine wurden zur Verfeinerung von Saucen und Speisen eingesetzt.
Auch auf Gefrorenes musste man nicht verzichten. Der Pudding à la Nesselrode, der in der Hauptsache aus Esskastanien besteht, musste unter beständigem Rühren in einer Eisbüchse gefrieren. Mit allen Zutaten versehen wurde er in Formen gefüllt und musste weitere 3-4 Stunden auf Eis gefrieren, Gefrierschränke gab es ja noch nicht.
Beim Lesen der Zutaten kann man sich vorstellen, dass Angst vor Übergewicht oder zu hohem Cholesterinspiegel unbekannt waren. In den Kuchenrezepturen werden zahlreiche Eier verarbeitet, in einem Biskuitpudding sogar 30 Stück.
Selbst für „Arme Ritter“ benötigte man 5 Eier und empfahl eine Weißweinsauce dazu. Einige Rezepte tragen Namen, die nicht mehr geläufig sind und meist aus dem Französischen stammen. Ein Fricandeau z.B. ist ein gespickter Kalbsbraten und in einer Cheaudeauxsauce werden Eier mit Weißwein aufgeschlagen.
Nicht herausfinden konnte ich, was genau „Maringo“, hier Maringo mit Huhn bedeutete.
Ebenso wenig kenne ich die Bezeichnung „Mattetottes“ in einem Gericht mit Karpfen und Nudeln.
Petersilie und Thymian wurden gebraucht, aber auch Portulak, Tripmadam und Dragon, das wir heute als Estragon kennen. Das Rezept für eine Zwetschensuppe ließ sich ebenso mit getrockneten Kirschen oder Hagebutten kochen.
Kaum auf unseren Tellern wird ein Mahl erscheinen, das aus Kalbsmilchen, das sind die Thymusdrüsen des Kalbes gekocht wurde.
Zur Zeit von Marie Pieper kamen diese in einer Reihe von Gerichten vor.
An Stelle von Gelatine verwendete man den “Stand von Kalbsfüßen“, d.h. den durch das Auskochen der Füße entstandenen Gallert.
Neben heute noch bekannten Maßen und Gewichten kommen auch vor:
1 Quart = 1,145 l (Preußisches Maß)
1 Lot = 14,606 g (Preußen)
4 Quentchen sind zusammen ein Lot
Einige der Rezeptüberschriften schrieb Marie Pieper in lateinischen Buchstaben. Allen gemeinsam ist, dass sie mit einem Punkt endeten. Manche Wörter wurden auch mit „th“ geschrieben, wie „ein Theil“, aber auch „man thut“. Die Sprache wirkt auf den heutigen Leser liebenswert altmodisch.
Das Buch endet mit einem Rezept gegen die Hölle:
„Man nehme 5 Lt. (Lot) Sanftmuth, 10 Lt. Geduld, 15 Lt. Freigiebigkeit, 125 Lt. Nächstenliebe, und eine Hand voll Demuth. Stoße es im Mörser des Glaubens mit dem Stempel der Stärke zu Pulver. Gebe ein Viertel der Hoffnung hinzu und siede es in der Pfanne der Gerechtigkeit. Rühre es oft mit einem Gebete um und bewahre es wohl auf im Gefäße der Beständigkeit, damit der Schimmel der Eitelkeit nicht hinzu dringe. Mit dieser Salbe reibe man sich Morgens und Abends ein, das hilft gegen die Hölle.“
Da kann man nur hoffen, dass dieses Rezept Marie Pieper, die ein so wunderbares Kochbuch hinterlassen hat, genützt hat.
Anmerkung:
Das gedruckte Kochbuch der Marie Pieper kann beim Museums- und Heimatverein Brome e. V. bestellt oder direkt im Museum Burg Brome für 8,50 € erworben werden.
Schreibe einen Kommentar