Seite aus dem Hofübergabe- und Ehecontract aus dem Jahr 1826

Auf den ersten Blick erschien die Lektüre des Hofübergabe- und Ehekontraktes, den ich aus der Deutschen Schrift in Druckschrift übertragen sollte, nicht besonders spannend. Dieser Eindruck änderte sich schnell, je mehr ich über die damalige Zeit recherchierte.

Der Vertrag wurde von der Familie Seelecke aus Tiddische in dem ca. 13 km entfernten Vorsfelde unterzeichnet, das damals zum Herzogtum Braunschweig gehörte.

Eisenbahnen, Automobile und selbst Fahrräder gab es damals noch nicht, also musste man den Weg entweder zu Fuß antreten oder mit Pferd und Wagen fahren. Die Eheleute Seelecke wollten ihren Hof „Samt allem Zubehör und Gerechtsamen, Vieh, Hof- und Feldinventar ihrem mitgegenwärtigen Sohn“ übergeben. Gleichzeitig sollte ein Ehekontrakt zwischen dem Sohn und der Braut abgeschlossen werden.

Für die Hofübergabe wurden dann folgende Bestimmungen festgeschrieben: „Sie (die Eheleute) referieren sich die Herrschaft noch so lange es ihnen beliebt. Während dieser Zeit soll der Bräutigam von ihnen zu genießen haben: Freien Unterhalt im Essen und Trinken und der Bräutigam auch freie Kleidung, dann jährlich 5 Himpten Roggen, die Winter- und Sommerwolle von vier Schafen und sollen ihnen außerdem drei Himpten Hafer in die Brache und zwei Viertelfaß Lein jährlich gesät werden, sie dagegen zu einer pflichtgemäßen Tätigkeit für das Beste des Hofes verbunden sein“. Himpten wurde mal mit p, mal ohne geschrieben und ist wie das Vierfass ein Hohlmaß, 1Himpten entspricht 1842 in Braunschweig ca. 31 Litern und ein Vierfass knapp 8 Litern.

Die Eltern des Bräutigams behielten es sich damit vor, die Wirtschaft so lange zu führen, wie es ihnen beliebte. Wenn der Hof tatsächlich an die jungen Leute überging, konnten sie sich aussuchen, ob sie mit den Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben wollten oder nicht. Für den Fall, dass alle an einem Tische bleiben wollten, bekamen die Eltern das Gleiche, was sie dem Sohn geben würden, zusätzlich eine „eiserne Kuh“. Eisern steht hier für hart, fest und unangreifbar. Es handelte sich dabei um die zweitbeste Kuh im Stall, und sollte diese verkauft oder geschlachtet werden, so blieb das Anrecht auf die nächste zweitbeste Kuh erhalten. Für den Fall, dass die jungen Leute es vorzogen, für sich zu wirtschaften, wurde eine Auflistung für das Altenteil zusammengestellt, die ich hier in Auszügen wiedergeben möchte: „Jährlich 16 Himpten Roggen /ca. 500Liter), einen Himpten Buchweizengrütze (ca. 31 Liter), einen Himpten Salz, zwei Vierfass Saat (fast 16 Liter), ein Schwein oder dafür 3 rth. (Reichstaler), ein Fuder Heu (von einer bestimmten Wiese), ein Schock Roggenstroh (60 Stück) à 20 Pfund, zwei Vierfass Lein gesaet, drei Himpten Hafer in die Brache gesaet, die Winter-Sommerwolle von vier Schaafen, frei Feuerung zu allen ihren Bedürfnissen und an Obst eine Apfel- einen Birnen und zwei Pflaumenbäume“. Das war nicht wenig und musste von dem jungen Paar gut überlegt werden. Da die ländliche Bevölkerung überwiegend in Eigenversorgung lebte, war es notwendig, alle diese Punkte genauestens zu erfassen. Auch für den Fall, dass eines der Elternteile verstarb, wurden feste Kriterien bestimmt. Damit noch nicht genug. Der Hoferbe hatte auch noch Leistungen an die Geschwister zu erbringen: „An Abfindungen hat der Hofannehmer folgendes zu prästiren (eine Sachleistung zu erbringen): An seinen Bruder: „Dieser soll nach dem Absterben der Älteren, oder wenn diese es wollen sofort auf dem Hofe zu erbauenden Spieker beziehen, und solchen bis auf seine und seiner Ehefrau Lebzeiten benutzen können, und soll dabei das …Gartenstück …,ein Vierfass Lein gesaet, und außerdem ein Fuder Heu, … welches letztere ihm der Hofwirth frei anfahren soll. Letzterer soll ihm noch besonders, wenn der Abzufindende sich verheirathet, ihm am Tage der Hochzeit ein vollaufgemachtes Bette und dann, so wie es dessen Bedürfnis mit sich bringt, zwei Schaafe mit Lämmern mitgeben.“ Dafür musste sich der Bruder zu bestimmten Arbeiten auf dem Hof verpflichten. Fand der Bruder des Hofabnehmers sein Eheglück anderswo, so waren die Abfindungen für diesen Fall auch genauestens geregelt. Er bekam dann an Geld 100Taler Conventionsmünze. Ein Conventionstaler war 1813 in Braunschweig-Wolfenbüttel 16 Gutegroschen wert. Da das Münzwesen sehr unübersichtlich war, konnte ich über den Wert nichts herausfinden, gehe aber davon aus, dass es sich um eine erkleckliche Summe handelte. Dazu ein aufgemachtes Bett und einen vollständigen Kistenwagen, was einer umfassenden Aussteuer entsprach. Auch an die Schwester waren noch einige Abfindungen zu leisten. Im mitverhandelten Ehekontrakt erklärt der Hofannehmer seine Braut als Miteigentümerin des Hofes. Diese musste bares Geld, einen vollständigen Kistenwagen und eine genau festgelegte Anzahl an Kühen, Ochsen und Schafen mitbringen. Zum Schluss wird für den letzten Fall alles geregelt: „Auf den Fall, daß einer von den Verlobten nach vollzogener Ehe vor dem andern ohne Hinterlassung von Kindern aus dieser Ehe sterben sollte, daß dann das Sprichwort „Der Letzte macht die Thüre zu“ eintritt“. Unterschrieben wurde dieser Vertrag mit Handzeichen, also mit 3 Kreuzen für die jeweilige Person. Über diesen Vertrag ließe sich noch viel mehr ausführen, deutlich wird aber, dass sich darin ein Leben mit viel harter Arbeit und stetigem Fleiß widerspiegelt. All die Errungenschaften, die unser Leben so erleichtern, gab es damals noch nicht, die Industrialisierung war noch in weiter Ferne. Viel Glück hat die junge Familie scheinbar nicht gehabt, bereits 1852 war die junge Frau verwitwet, und auf lange Sicht ist der Hof dann auch nicht in der Familie geblieben.