Die Geschichte der Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze zwischen dem niedersächsischen Ort Zicherie (früher: Britische Besatzungszone) und dem sachsen-anhaltinischen Ort Böckwitz (früher: Sowjetische Besatzungszone) beginnt nach dem Ende des 2. Weltkrieges im Jahr 1945. Wann genau die erste Straßensperre zwischen den beiden Orten errichtet wurde, lässt sich aus den bis heute eingesehenen Unterlagen und Bildern nicht genau rekonstruieren. Ein Schlagbaum trennte damals die beiden Orte Zicherie und Böckwitz.

Im Mai 1952 verschärfte sich die Lage an der deutsch-deutschen Grenze. Auf DDR-Seite wurde damit begonnen, entlang der Grenze einen gepflügten 10-Meter-Kontrollstreifen, dem sogenannten K 10, anzulegen. Gleichzeitig damit wurde auch die Bewachung der Grenze umgestellt. Das sowjetische Militär wurde von der Grenze abgezogen und die Überwachung von DDR-Grenzpolizisten übernommen. Der illegale Grenzverkehr ging durch diese Maßnahmen schlagartig zurück.

Gleichzeitig mit diesen Maßnahmen wurde zwischen den Orten Zicherie und Böckwitz ein drei Meter hoher Bretterzaun angelegt, der selbst Sichtkontakte zwischen den Einwohnern der beiden Orte unmöglich machte. Häuser, die in unmittelbarer Nähe der Grenze lagen, wurden geräumt und später abgerissen. Die Bewohner wurden in der sogenannten „Aktion Ungeziefer“ zwangsausgesiedelt.

Im August 1956 wurde der Bretterzaun entfernt und durch einen Stacheldrahtzaun ersetzt.

Blick von Zicherie auf den Bretterzaun. Dieser trennt Zicherie und Böckwitz bis August 1956. Aus: unmenschliche Grenze. Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für Heimatdienst. 1958
Blick von Zicherie nach Böckwitz (Aufnahme von 1957). Aus: unmenschliche Grenze. Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für Heimatdienst. 1958

Der Verlauf der innerdeutschen Grenze war allerdings bis zum 13. August 1961 nicht überall durch Schilder bzw. Sperranlagen markiert. Auf westdeutscher Seite wurde eine neue Verbindungsstraße zwischen Zicherie und Kaiserwinkel gebaut, die weitgehend parallel zur innerdeutschen Grenze verlief. Die Grenze verlief unmittelbar in der Grabenmitte östlich der Straße. Sie war hier weder durch Schilder, noch durch Sperrmaßnahmen markiert.

Straßen von Zicherie nach Böckwitz. Links neben der Straße ist der Grenzgraben. Gleich dahinter der geeggte 10-Meter-Streifen auf DDR-Gebiet. Aus: unmenschliche Grenze. Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für Heimatdienst. 1958

Zuständig für die Überwachung der innerdeutschen Grenze auf DDR-Seite im Bereich von Steimke bis Kaiserwinkel war die Grenzkompanie Jahrstedt, die der Grenzbereitschaft Gardelegen unterstellt war. Die Ausrüstung der Kompanie Jahrstedt kann bis Anfang der 60er Jahres des 20. Jahrhunderts als sehr bescheiden beschrieben werden. Im Jahr 1950 besaß die Einheit 10 Fahrräder. Im Jahr 1952 kamen 10 Fahrräder und ein Motorrad mit Beiwagen dazu. Im Jahr 1961 verfügte die Einheit über insgesamt 28 Fahrräder und ein Motorrad mit Beiwagen. Die Stabsstelle in Kunrau verfügte Anfang der 50er Jahre über einen VW-Kübel, einen IFA F8 Kombi Krankenwagen und einen Garant LKW. Sowohl die Kompanie Jahrstedt als auch die Stabsstelle Kunrau verfügten über Telefon, allerdings nicht über Fernschreiber und Funkgeräte. Die einzige Möglichkeit zur Alarmierung der Kompanie von der Grenze war das Grenzmeldenetz, das im Hinterland der Grenze verlief und in das sich die Grenzsoldaten mit entsprechenden Geräten einklinken und Meldung machen konnten. In der Nähe der Stelle, an der Kurt Lichtenstein am 12. Oktober 1961 erschossen wurde, befand sich kein Einwählpunkt ins Grenzmeldenetz, so dass die Alarmierung der Kompanie Jahrstedt auf anderem Wege erfolgen musste.

Als Waffen für die Grenzpolizisten standen in der Kompanie Jahrstedt Pistolen vom Typ Parabellum, Karabiner Mauser 98 K sowie Maschinenpistolen (MPi) zur Verfügung.

Nach dem 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, verschärfte sich die allgemeine Lage an der innerdeutschen Grenze. Eine Kontaktaufnahme zwischen Zoll und Bundesgrenzschutz (BGS) mit Offizieren der Grenztruppen, wie sie zu dem Zeitpunkt üblich war, war nicht mehr möglich. Es wurde an der Grenze von DDR-Seite ein neues System der Grenzsicherung eingeführt. An Stellen, an denen sich noch kein Drahtzaun befand – wie z.B. an der Stelle, an der Kurt Lichtenstein die Grenze überschritten hatte und erschossen wurde – wurden Holzpfähle eingeschlagen, die verdrahtet wurden. 

Anmerkung:

Diese kurze Geschichte der Grenzsperranlagen bei Zicherie wurde zuerst in dem Buch „Kurt Lichtenstein – getötet am 12.10.1961. Tragischer Tod eines Grenzgängers“ von Jens Winter veröffentlicht. Das Buch ist beim MHV Brome erhältlich!