Ein Blog des Museums- und Heimatvereins Brome e.V.

Autor: Hannelore Blanke (Seite 2 von 2)

Über das Pfarrwitwentum und wie die Bromer diese Einrichtung mit vielen Finten verhindern wollten…

Die aus der Lehre Martin Luthers entstandene Reformationsbewegung, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts zur Gründung der Evangelischen Kirche führte, hatte eine Reihe von gravierenden Veränderungen zur Folge. Ursprünglich hatte Luther nur an notwendige Veränderungen in der katholischen Kirche gedacht, letztlich führten seine Lehren und die Kompromisslosigkeit der katholischen Kirche jedoch zur Spaltung. Nach und nach wurden in der neuen Kirche Fastentage, die Beichte und der Zölibat aufgehoben. Evangelische Geistliche durften nun heiraten und Familien gründen.

Mit der Entstehung protestantischer Pfarrhäuser stellte sich für die Kirchengemeinden bald darauf die Frage der Fürsorgepflicht für die Pfarrwitwen und ihre Kinder. War ein verheirateter Pfarrer nur kurze Zeit im  Amt gewesen oder es hatten andere Gründe dazu geführt, dass seine Familie keine finanziellen Rücklagen schaffen konnte, dann gerieten im Todesfall die Hinterbliebenen in große Not. Der Wille zur Unterstützung der nun unversorgt lebenden Witwe und der Waisen durch die Kirchengemeinden war nicht sehr groß. Man hielt sich mit Zuwendungen zurück und ließ es auch auf Rechtsstreitigkeiten ankommen, um nicht in die Pflicht genommen zu werden und zahlen zu müssen. Allerdings waren viele Pfarreien selbst arm dran und konnten zur Linderung der Not tatsächlich nicht ganz viel beitragen.

Dr. Hanna Würth, die sich in ihrer Doktorarbeit „Pfarrwitwentum im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin von der Reformation bis zum 20. Jahrhundert“ ausführlich mit diesem Themenkomplex beschäftigte, stellte ihrer Arbeit den folgenden Satz voran:

Sie „…hat nichts, lebet einzig und allein der puren Gnade Gottes und von den Almosen der bey und umbherwohnenden Leute“.

Das war das Los der ersten Witwen in der jungen evangelischen Kirche. Sie waren mit ihren Kindern auf die BarmherzigkeitvonNachbarn und Mitbürgern angewiesen. Das Pfarrhaus mussten sie für den neuen Pfarrer und seine Familie freimachen und nun ein kärgliches, elendiges Leben in Not fristen. Einigermaßen erträglich war es für sie, wenn sie an ihrem Lebensabend Zuflucht bei verheirateten Töchtern oder Söhnen finden konnten. 

In der Chronik der Gemeinde Handorf, die am Rande des Urstromtals der Elbe liegt, ist zu lesen, dass nach der Einführung der Reformation in dem Ort im Jahre 1529 immerhin 44 Jahre später ein Pfarrwitwenhaus gebaut und damit für Unterkunft gesorgt wurde. In anderen Kirchengemeinden, wie auch in Brome, dauerte das oft viele Jahrzehnte länger.

Im Laufe der Zeit behalf man sich damit, dass der neue Pfarrer die Witwe oder die Tochter des Verstorbenen heiratete. Daraus entwickelte sich eine Rechtsgewohnheit, die den Pfarrer, der eine Pfarrstelle anstrebte, dazu verpflichtete, eine der Hinterbliebenen zu heiraten, um die Pfarrstelle zu bekommen.

Das trug zwar erheblich zur Versorgung der sonst Notleidenden bei, mag aber für den jeweiligen Pfarrer ein sehr hoher Preis für die Einsetzung in das Amt gewesen sein. Da zu der damaligen Zeit Liebesheiraten aber eher die Ausnahme waren, war eine solche Versorgungsehe nicht unüblich und kam durchaus auch bei anderen Personenkreisen vor.. Diese Form der Versorgung von Pfarrwitwen wurde Konservierung genannt und hielt sich bis in das 19. Jahrhundert.

So erging es auch Pfarrwitwen und ihren minderjährigen Kindern in unserer Heimat, wie der bekannte Heimatforscher Karl Schmalz in seinem Aufsatz „Das Bromer Pfarrwitwentum“ ausführlich beschrieb. 

Zwar war auch hier der Ruf nach der Notwendigkeit von Pfarrwitwenhäusern immer lauter geworden, aber die bauliche Umsetzung wurde möglichst lange hinausgezögert. Man wollte den Bau eines solchen Hauses am besten ganz umgehen und hat das mit Finten, gegenseitigen Schuldzuweisungen und nicht eingelösten Versprechungen lange erfolgreich geschafft.

In der Bromer Schulchronik Band I ist zur Reformation im Ort lediglich zu lesen „Über die Einführung der Reformation fehlen sichere Angaben. Die Kirche zu Altendorf war früher noch eine katholische.“

Glücklicherweise hat Karl Schmalz zur Reformation und zum Pfarrwitwentum noch mehr herausgefunden, als diese magere Auskunft in der Schulchronik hergibt.

Ende des 16. Jahrhunderts gab es auch in Brome ein evangelisches Pfarrhaus. Mit seiner Familie hat dort Peter Oldeland d. J. gewohnt. Sein Vater, der ebenfalls den Vornamen Peter trug, war noch katholischer Geistlicher gewesen, was ihn nicht daran hinderte, einen Sohn zu zeugen.

Die Oldelands müssen nicht unvermögend gewesen sein, denn der jüngere Peter hatte den Sökeschuldtschen Freihof in Brome kaufen können und bewohnte mit seiner Familie nun sein eigenes Haus. Als sein Sohn Joachim den Hof übernahm, konnte Peters Witwe dort „sowohl Wohnung und auch Nahrung“ bekommen. Die Einrichtung eines Pfarrwitwentums war deshalb zur Freude der Bromer Kirchengemeinde zu dieser Zeit in Brome nicht notwendig.

Auch Pfarrer Marschall, der 1627 starb, sah sich gezwungen, ein eigenes Haus zu kaufen. Er hatte, wie das Knesebecker Hausbuch von 1670 später dokumentierte, „in mangell eines Wittiben Hauses“ das Lehngut von Joachim Oldeland erworben. Nach 1627 verhinderte wiederum der schreckliche Krieg, der später der 30jährige genannt wurde, den Bau eines Pfarrwitwenhauses.

Für den Schwiegersohn von Pfarrer Marschall, Pfarrer Boelsche, war schließlich ein Pfarrhaus in Brome gebaut worden, in das nun die Witwe Marschall mit einziehen konnte.

Auch in diesem Falle bewährte sich die inzwischen vielfach praktizierte Verfahrensweise: Der neue Pfarrer war Schwiegersohn des Verstorbenen, übernahm damit die Versorgung der Witwe und ersparte so der Kirchengemeinde die Ausgaben für ein Pfarrwitwentum.

Einen langen, nervenaufreibenden Kampf darum hatte Anna, geb. Boelsche, die Witwe von Pfarrer Ebeling ausgefochten. Ihr Gesuch um „Wohnung und Verpflegung“ wurde tatsächlich von allen Seiten als rechtmäßig anerkannt. Die Anerkennung ihres Antrages führte im Ergebnis aber leider nicht mal dazu, dass sie wenigstens Witwengeld bekam. Auch nach zwei Jahren hatte sie das ihr zustehende Geld noch von niemandem aus den Dörfern des Kirchspiels, also weder aus Brome, Altendorf oder Steimke, bekommen. Selbst eine Zahlungsaufforderung derer von Bartensleben änderte nichts an der Weigerung, diesem unhaltbaren Zustand ein Ende zu setzen. Deshalb kam es auch in diesem Fall wieder nicht zum Bau eines notwendigen Witwenhauses. Die Witwe verzichtete schließlich entnervt und frustriert von dem schier aussichtslosen Kampf darauf, ihr Recht weiter einzufordern und zog in das väterliche Haus ein.

Karl Schmalz berichtete in einem Aufsatz über Pfarrer Boelsche von Armenlisten aus Fallersleben, in denen zwischen 1648 bis 1655 nicht nur ein Pfarrer aus dem „Stedtlein Blumenaw“ aufgeführt ist, sondern auch eine Pfarrerswitwe aus Rothenburg mit vier Kindern. Schmalz schrieb weiter, dass sich in zwei Jahren unter denen, die den Armenkasten in Anspruch nahmen, fünf Pastoren und sieben Pastorenwitwen befanden. So ähnlich ging es auch in den folgenden Jahren weiter. In den nächsten beiden Jahrzehnten waren die Landstraßen immer noch von „anlaufenden Armen“ bevölkert.

Besonders groß war die Not der Hinterbliebenen wieder, als der Bromer Pfarrer Praetorius 1706 starb. Seine Witwe Maria bat um Hilfe für ihre Tochter und sich. Auch drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes hatte sie „die zugesagte Notdurft“ noch nicht bekommen. Nach sechs Jahren war auch sie verzagt von der Erfolglosigkeit ihrer Gesuche und Bitten und gab auf, ohne ihr Ziel erreicht zu haben.

In der Pfarrstelle folgten bis zum Amtsantritt von Christoph Samuel Schroeter 1723 einige Pastoren mit kürzeren Amtszeiten. Pastor Schroeter starb 1733 und seine Witwe Sophia Dorothea nahm den Kampf um die Versorgung für sich und ihre Kinder wieder auf. Sie wollte nicht hinnehmen, dass sie und ihre fünf Kinder unversorgt bleiben sollten. Ausweichende und hinhaltende Antworten verschleppten ihr Anliegen immer wieder. Schließlich entstand ein haarsträubender Streit um das Abfahren des bereits für den Bau eines Witwenhauses geschlagenen Holzes. Erst als das Holz ein Jahr später „schon ziemlich verdorben“ war, erging am im August 1736 endlich der Befehl von höherer Stelle, das Holz abzuholen und die für den Bau des Hauses nötigen Materialien anzufahren.

Sie konnte endlich durchsetzen, was ihren Leidensgenossinnen verwehrt wurde: ein Pfarrwitwentum in Brome. Dazu gehörten das Witwenhaus, die zugeteilten Äcker, die Versorgung mit Feuerholz, das Witwengeld und ein befristetes Gnadengehalt. Um die Kirchenmitglieder nicht zu sehr zu belasten, verzichtete die Witwe Schroeter für die nächsten drei Jahre auf diese Zuwendungen. Weil die Kirchen seit 1919 das Recht haben, ihre Geistlichen zu verbeamten, waren damit auch im Todesfalle eines Pastors seine Hinterbliebenen abgesichert. Damit konnte das unrühmliche Kapitel Pfarrwitwentum endgültig abgeschlossen werden. Ein anderer alter Hut der evangelischen Kirche, die Praxis ausschließlich Männer zu ordinieren, wurde im 20. Jahrhundert auch endlich abgeschafft.

Aus Karl Schmalz: Christentum und Kirche

Der 1966 gestorbene Heimatforscher Karl Schmalz hat mit seinen Beiträgen zur Bromer Geschichte ein umfangreiches Werk geschaffen, das in einer Sammlung von 3 neu aufgelegten Bänden im Archiv des Museums in Brome vorliegt. Quellen und Grundlagen für seine Forschungsarbeiten waren die Bibliotheken und Archive in Niedersachsen.

Einen breiten Raum bei seinen zahlreichen heimatkundlichen Aufsätzen nehmen „Christentum und Kirche“ ein.

Unter dieser Überschrift beschäftigte sich Karl Schmalz auch mit der Reformation und ihren Auswirkungen auf unsere engere Heimat.

Zu Beginn seines Aufsatzes über die Reformation schreibt Karl Schmalz über unsere Region:

„Wenn man Samuel Walther (1679 – 1754, Schriftsteller, Pädagoge und  Historiker) Glauben schenken darf, dann war der letzte katholische Geistliche zu Brome und hernach der erste lutherische, Peter Oldeland.“

Dieser ursprünglich katholische Bromer Geistliche Oldeland wechselte offenbar nahtlos vom katholischen zum evangelischen Glauben über. Wie aus der folgenden Aussage von S. Walther hervorgeht, konnte er sein Amt auch nach der Reformation als nunmehr evangelischer Pastor ausüben.

„…Wann Peter Oldeland der Ältere geboren und gestorben ist, steht nicht fest. Ein Pfründenregister von 1534 gibt ihn noch als Pastoren an und kennt seinen Sohn als Coadjutor…“

Demnach war Peter Oldeland der Jüngere Kirchengehilfe und Küster seines Vaters.

Trotz des auch damals bestehenden Zölibats für Priester, hatte Oldeland der Ältere als katholischer Geistlicher einen Sohn. Dazu kann man bei Schmalz wiederum Samuel Walthers Erklärung zu dieser Vaterschaft finden: „Nicht wenig Priester haben damals sich eine Konkubine“ gehalten. Tatsächlich kam es nicht selten vor, dass Priester offen mit Frauen zusammenlebten. Im Zuge der Reformation gab es schließlich Strömungen, die den Zölibat als christliche Lebensform generell ablehnten und sich damit von der römischen Kirche abgrenzten.

Oldelands Sohn studierte in Wittenberg Theologie, hatte dort Luther und Melanchthon gehört und so seinen Vater „auf andere Wege“ gebracht und ihn damit möglicherweise von der neuen Lehre überzeugt.

Schmalz lässt auch Pastor Salfeld zu Worte kommen. Der zitiert aus dem Pfründenregister (Pastor Salfeld. Das Lüneburgische Pfründenregister von 1534. Zeitschrift der Gesellschaft für nieders. Kirchengeschichte. Braunschweig 1934): „Kaum merken wir etwas vom Widerstand gegen die Einführung der Reformation…“ Karl Schmalz zieht daraus den Schluss, dass sich der Übergang in den meisten Fällen reibungslos vollzogen hat, wenn auch nicht überall, wie das Beispiel von Steimke zeigt, einem altmärkischen Nachbarort von Brome.

„Dort war“, schreibt Schmalz, „nach der Reformation wieder katholischer Gottesdienst eingeführt worden. Dazu hatte der Lehnsherr der Vogtei Steimke, der Kurfürst Joachim I. von Brandenburg /1499 – 1535) ein erbitterter Feind Luthers, seinem Sohn Joachim II. das Versprechen abgenommen, bei der alten Lehre zu bleiben. Erst am 1.11.1539 hat Joachim II. in dem ihm vererbten Teil Brandenburgs, wozu auch die Altmark mit der Vogtei Steimke zählte, die Reformation eingeführt.“

In den Klöstern war die Gegenwehr gegen die Reformation heftiger. Auch das Kloster Isenhagen in Hankensbüttel hat Widerstand geleistet, doch ist es dabei nach Schmalz nicht zu dramatischen Zuspitzungen gekommen.

Erstaunlich anders lief es bei den Bartenslebens auf der Burg Wolfsburg:

Der Bartenslebensche Toleranzvertrag vom 03.07.1555 bestimmte u.a., dass auf der Wolfsburg für die Angehörigen jedes der beiden Bekenntnisse ein Geistlicher unterhalten werden sollte. „Der evangelische Gottesdienst wird jeden Sonntag von 6 – 8 Uhr und am Nachmittag von 12 – 2 Uhr abgehalten. Jedenfalls die beiden folgenden Stunden steht die Burgkapelle den Katholiken für den Sonntagsgottesdienst zur Verfügung“. Damit sollten „Friede und Einigkeit erhalten und keine Zwietracht gestiftet werden“.

Dieses tolerante Verhalten könnte auch für das Zusammenleben der Religionen in der heutigen Zeit ein löbliches Vorhaben sein.

Messgewänder und katholische Kirchengerätschaften wurden anfänglich in den nun evangelischen Kirchen weiter verwendet. „Gold und Silbergeräte hat oft der Kirchenpatron an sich genommen.“

Viele Heiligenfiguren, Malereien oder Schnitzwerke, auch aus den hiesigen Kirchen, sind vermutlich in Museen oder Privathäuser gewandert, wenn sie nicht gleich dem reformatorischen Bildersturm zum Opfer gefallen sind.

Nachdem es den Geistlichen nun möglich geworden war, sich zu verehelichen, gab es in der Folge das Problem der Versorgung der Witwen. Solange diese Frauen von ihren Familien unterstützt werden konnten, drückte man sich besonders in Brome davor, ein Pfarrwitwentum einzurichten. Das war bitter für die Frauen, denn es bedeutete für sie, sich in große Abhängigkeit zu begeben und Bittstellerinnen zu werden. Erst ab 1736 kam es schließlich per amtlichem Befehl aus Fallersleben zum Bau eines Witwenhauses in Brome, womit die jahrzehntelange Zahlungsverweigerung mit immer neuen Finten und Prozessen endlich ein Ende fand.

Was der Bromer Lehrer und Kantor Lindwedel über das Wetter und die Landwirtschaft um 1890 berichtet

Der Bromer Lehrer und Kantor Heinrich Georg Lindwedel hat ein am 8. November 1898 begonnenes Tagebuch hinterlassen, das sich im Original im Archiv des Bromer Museums befindet. Lindwedel wurde 1846 geboren und starb 1906.

Aus seinen Aufzeichnungen kann man in groben Zügen das heimische Wettergeschehen zwischen 1889 und 1904 nachlesen. Darüber hinaus berichtete Lindwedel ausführlich über  einen Besuch der regional bedeutenden Distrikts- und Lokaltierschau in Gifhorn, die er als Mitglied eines nicht näher benannten Vereins besuchte.

Ausflug des Lehrervereins Brome mit Frauen (um 1900). Georg Lindwedel steht als 3. von rechts in der ersten Reihe vorn.

Seine Wetteraufzeichnungen erzählen u.a. von Kapriolen wie späten Nachtfrösten und einer Windhose Ende April 1890: „…war eine Windhose, die sich von Parsau nach Croya und von hier nach Böckwitz zog, wo eine Scheune des Hl (Hauptlehrers?) Ellenberg umgerissen wurde.“

Die Landwirtschaft litt in manchen Jahren besonders unter Gewitter und Hagelschlag. Starker Regen ließ die Futtervorräte schlecht trocknen, so dass sie unbrauchbar wurden. Bei einem Hagelunwetter 1891 verzeichnete Lindwedel: „…von Braunschweig bis Hameln; viele Gewitter, ein Blitzstrahl zündete in Zasenbeck (am 4.8.) und äscherte ein Wohnhaus ein, desgl. am 5. August das Wohnhaus des Ackermannes Schröder in Voitze, dem Kälber und sämtliches Inventar verbrannte.“

Angebaut wurden damals in der Bromer Gegend u.a. Roggen, Erbsen, Buchweizen und Kartoffeln. Die Kartoffeln wurden durch den vielen Regen oft krank und nahmen Schaden: „…binnen 8 Tagen sind mit Eierkartoffeln bestellte Fluren schwarz geworden, während die übrigen Sorten mehr Widerstandsfähigkeit zeigen.“

1892 konnte wegen der Maul- und Klauenseuche die sonst regelmäßig stattfindende Tierschau in Brome nicht ausgerichtet werden.

Besonders schlimm war das Frühjahr 1892 für die Landwirtschaft. Es war lange sehr kalt, so dass die Einsaaten litten und die Menschen erst Ende Mai ihre Stuben nicht mehr heizen mussten. Im Juni war der Buchweizen erfroren, aber damit nicht genug. Lindwedel hielt fest: „Ein furchtbarer Sturm am Johannistag (24. Juni), viele Bäume entwurzelt, abgebrochen, das Obst von den Bäumen geschlagen“. Nur Tage später wurde beim Heuladen ein Mädchen im Drömling vom Blitz erschlagen, der Fuhrmann war besinnungslos, ein weiteres Mädchen verletzt. Die Pferde konnten gerade noch gerettet werden, der Wagen mit dem Heu verbrannte.

Dann war es wieder zu trocken, und der 17. August wurde zu dem heißesten Tag des Jahrhunderts mit 39,8° Celsius. Von einem anderen Wetterextrem im nächsten Jahr berichtete er: „Die Kälte war im Monat Januar so stark, daß ältere Leute sich eines solch starken und anhaltenden Frostes nicht erinnern konnten.“

Im Februar 1894 beschädigte ein orkanartiger Sturm Gebäude und deckte das Dach der Molkerei in Rühen mitsamt Sparren und Ziegeln gänzlich ab. Die umliegenden Wälder wurden ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Frühjahr hatte die Mäusepopulation so sehr zugenommen, dass der Roggen abgefressen wurde. Dann überschwemmten wieder heftige Regenfälle, schlimmer als üblich, große Bereiche von Brome und bald danach war es wieder zu warm und trocken, so dass der Hafer auf höhergelegenen Flächen gänzlich zu vertrocknen drohte.

Die Landwirtschaft war trotz der zunehmenden Mechanisierung überwiegend Handarbeit, ein hartes Geschäft und daher noch mehr vom Wetter abhängig als heute.

Kritisch bewertete Lindwedel die Lokaltierschau in Gifhorn. Leicht verstimmt, weil die Delegation, der er angehörte, nicht wie zugesagt vom Bahnhof abgeholt wurde, notierte er das Geschehen auf der sog. Masch am Schützenplatz.

Sein Wohlgefallen fanden die „…gezierte und geschmückte Ehrenpforte“, sowie die großen, dichtstehenden Kastanienbäume, unter denen die zur Schau gestellten Pferde, darunter Hengste, Stuten und Ackerpferde zu besichtigen waren. Hinter den Pferden grasten Schafe und in einem anderen Bereich gab es Ackergeräte zu sehen wie verschiedenscharige Pflüge, einen Erntewagen aus Wernigerode, eine Düngerstreumaschine, einen selbsttätigen Düngereinlagerer, eine Sämaschine, 6 verschiedene Häckselschneidemaschinen, 3 Staubmühlen (Windfegen) und 2 unterschiedliche Kartoffelsackmaschinen.

Diese Maschinen waren für die damalige Zeit mit das Neueste, was die Agrartechnik liefern konnte und verhalfen der Landwirtschaft zu einem vorher nicht möglichen Aufschwung.

Ebenso auf der Ausstellung vertreten waren Kühe verschiedener Rassen, die schon eine Milchleistung von bis zu ca. 3700 Litern im Jahr erbrachten. Immer noch wenig im Vergleich zu den heutigen Hochleistungskühen, die nur auf Milchleistung gezüchtet werden und einen Ertrag von bis zu 10 000 l haben. Neben den Kühen gab es Bullen und allerlei Kleingetier zu sehen und trotz des breiten Angebotes fiel Lindwedels Resümee nach der Besichtigung so aus. Ich zitiere:

„Bier schlecht, Wetter schön… Sinniger Spruch:

Wer Gott vertraut und tüchtig schafft, kommt vorwärts in der Landwirtschaft, die Hand geregt, frisch angefaßt, erleichtert jede Müh‘ und Last.

Urteil: Mehr versprochen, Kastengeist vorherrschend, daher Beteiligung gering.“

Mit einem Bericht über eine wahrscheinlich feucht-fröhliche, im Ganzen „vollbefriedigende“und für den heutigen Leser heiter anmutende Flurbesichtigung seines Vereins, beendete Georg Lindwedel seine Aufzeichnungen. Die teilnehmenden Herren wurden bei dieser Bereisung in 16 Pferdewagen, von 4 Musikern mit fröhlichen Weisen begleitet, durch die Flure von Voitze, Wiswedel und Ehra gefahren. Dabei wurde kritisch beäugt, was gut oder weniger gut gewachsen war. Dass in Ehra wegen der Hitze der Roggen zu wünschen übrig ließ, Hafer und Klee aber ordentlich standen, wurde aufmerksam registriert. Vermisst wurden von den Herren zu dieser Besichtigungsreise die schmückenden Triumphbögen an den Ortseingängen von Voitze und Wiswedel. Lediglich in Ehra leuchtete ihnen ein solcher Bogen blumenverziert entgegen. Gut genährt und wahrscheinlich mit dem einen oder anderen Bier gestärkt, machte man sich ganz und gar zufrieden am Abend wieder auf den Heimweg.

Heinz Blanke – Lebenszeichen aus dem 2. Weltkrieg

In dem Nachlass meines Schwiegervaters fanden sich die gesammelten Briefe, Karten und Zeichnungen seines erstgeborenen Sohnes, die dieser von seiner Grundausbildung in Salzwedel und aus dem Russlandfeldzug an seine Eltern geschickt hatte.

Mein mir unbekannter Schwager Heinz Blanke ist mir durch die Lektüre seiner schriftlichen Lebenszeichen nahe gekommen. Ich kannte bisher nur ein Foto von ihm, das ihn als Jungen mit einer zeittypischen Frisur und dadurch betont abstehenden Ohren zeigt. Seine Schreiben, die eine Facette des Lebens an der Front im 2. Weltkrieg widerspiegeln, fand ich so eindrucksvoll, dass ich sie für meine Angehörigen und diesen Artikel gesichtet und zusammengefasst habe. Heinz war 18 Jahre alt, als er im April 1942 zum Militär nach Salzwedel eingezogen wurde. Mit großer Anhänglichkeit schrieb er von dort häufig an seine Eltern und auch oft mit einer Bitte um eine Kleinigkeit, die ihm im Alltag fehlte. Die Eltern hielten engen Kontakt zu ihm und erfüllten, wenn sie es in dieser Kriegszeit möglich machen konnten, seine kleinen Wünsche.

Die Offizierslaufbahn lehnte er ab und blieb deshalb einfacher Soldat. Im Juli 1942 wurden er und die Kameraden seines Zuges feldmäßig eingekleidet und anschließend per Güterwagen auf die Reise über Halberstadt und Berlin nach Frankfurt/Oder gefahren. Wenige Tage später schon durchquerten sie Polen, dann Litauen und Lettland und befanden sich bald danach am Dnjepr.

„Wer hätte gedacht, daß ich noch einmal eine solche Reise machen würde?“ schrieb Heinz am 20. Juli an seine Eltern. Die weite russische Landschaft gefiel ihm sehr und in dieser stillen, weiten Natur zu leben, konnte er sich für die Zeit nach dem Kriege gut vorstellen. Die Idylle war jedoch trügerisch, der Krieg war immer nahe. Die überfallenen Russen verteidigten ihr Land mit großer Entschlossenheit und ohne Rücksicht auf eigene Opfer. Heinz und seine Kameraden wurden in ihren Stellungen immer wieder mit Granaten  und Bomben eingedeckt.

In vielen seiner Schreiben kam zum Ausdruck, dass er die Heimat, sein gewohntes Umfeld und vor allem die Eltern sehr vermisste. Über jedes Schreiben, das ihn erreichte und jedes Päckchen freute er sich riesig. Voller Sehnsucht und Ungeduld erwartete er das nächste Schreiben. Den Satz „Nun werde ich sicher auch bald Post erhalten“, konnte ich immer wieder auf seinen Karten und in seinen Briefen lesen.

Zugelassen als Sendung an die Front waren Postkarten und Briefsendungen bis 250g, Päckchen bis 1kg. Die Versorgung der Soldaten war häufig schlecht und Hunger war schon im August 1942 ein ständiger Begleiter. Heinz bat seine Eltern mehrfach um Puddingpulver, das er sich wie seine Kameraden mit Wasser und Zucker kochen wollte, um den knurrenden Magen zu füllen.

Ab und zu wurden aber auch Zigarren, Zigaretten, Alkohol, Schokolade und Bonbons von der Einheit an die Soldaten so reichlich ausgeteilt, dass sie davon noch abgeben und einiges in die Heimat schicken konnten.

Im August musste Heinz, wie andere junge Soldaten auch, eine offizielle schriftliche Erklärung auf einem offiziellen Formblatt abgeben. „Nach sorgfältiger Prüfung der mir zur Verfügung stehenden Unterlagen, erkläre ich pflichtgemäß, daß ich – meine Ehefrau – kein jüdischer Mischling bin“, stand in dem amtlichen Formular zu lesen.

Noch im 1. Weltkrieg hatten fast 100.000 jüdische Soldaten für Deutschland gekämpft, Zehntausende fielen oder wurden schwer verwundet. Im sogenannten Dritten Reich  wurden viele der Juden, die diesen Horror überlebt hatten, im Holocaust ermordet. Der Antisemitismus war Staatsdoktrin geworden.

Inzwischen ging der Krieg an allen Fronten erbittert weiter. Heinz konnte in seinem Frontabschnitt deutlich den Gesang der russischen Gegner und das Klappern ihrer Kochgeschirre hören, so nahe waren sich die feindlichen Verbände gekommen.

Anfang Oktober waren die Nächte schon sehr kalt. Heinz schrieb an seine Eltern: „…die Russen versuchen jetzt, ….. uns in Nahkämpfe zu verwickeln. So stehen wir jetzt immer mit einem kurzen Spaten und Handgranaten bewaffnet Wache. Man muss gewaltig aufpassen. Augenblicklich sind die Nächte mächtig dunkel, da der Himmel bewölkt ist und es regnet dauernd“.

Im September fragte Heinz aus dem fernen Russland wieder um Puddingpulver an. „Kann man bei euch noch Puddingpulver kaufen? Wenn Ihr keinen Zucker habt, so schickt es mir ohne“. Er wusste, dass die Versorgungssituation in der Heimat auch bereits sehr angespannt war. Eine andere Bitte betraf eine Mundharmonika. Das kleine Instrument sollte ihm an der Front ein musikalischer Begleiter für stille Stunden sein. In weiteren Schreiben äußerte er die Bitte nach Kleinigkeiten, die ihm das Leben erträglicher machen konnten, wie ein Taschenmesser, einen Bleistift, ein Radiergummi und einen Kohlestift für seine Zeichnungen. Heinz war ein begabter Zeichner, wie aus den von seinem Vater verwahrten Bildern hervorgeht. Einige neue Zeichnungen schickte er von der Front.

Zeichnung seiner Mutter, die Heinz Blanke angefertigt hat.

Im Oktober schrieb Heinz, dass zeitig gefallener Schnee bald wieder aufgetaut war und den Boden in Schlamm verwandelt hatte. Das Leben in den Unterständen und Gräben, in Dreck und Kälte wurde immer schwieriger, und so wanderten die Gedanken des jungen Soldaten noch häufiger zur Heimat und zu den Eltern. Deren Briefe wurden nicht nur gelesen, „… sondern fast auswendig gelernt“.

„…freue ich mich über eure Post. Es ist doch immer etwas Heimat, was man dort gebracht bekommt. …Jeder schwärmt von zu Hause und schmiedet Pläne, was er alles nach dem Kriege machen will. So kommt es jedem noch einmal zu Bewußtsein, wie gut er es doch zu Hause bei Muttern gehabt hat.“

Die Soldaten durften selbstverständlich nicht mitteilen, wo an der Front sie sich gerade aufhielten. Um trotzdem einen Kontakt zu ermöglichen, gab es Feldpostnummern, eine Art Postleitzahl.

Heinz wurde ebenso wie seine Kameraden auch an andere Frontabschnitte versetzt. Danach berichtet er u.a.: „Seit 4 Tagen habe ich nicht geschlafen. Nachts stehen wir 14 Stunden Wache……. Die letzten Tage verbrachten wir nur im Graben oder im Unterstand. Dabei mußten wir aufpassen, daß wir den Kopf nicht zu weit über den Grabenrand steckten. Das Essen holten wir in Kanistern. Es mußte dann jedesmal aufgetaut werden. Brot und Aufstrich, alles ist hart…“

Und „Viele, die mit mir in Salzwedel waren, sind schon nicht mehr.“

Am 12. Dezember wurde Heinz 19 Jahre alt, rechtzeitig zu diesem Tag kam ein Geburtstagspäckchen von zu Hause bei ihm an. Die Weihnachtstage musste er auf Posten zubringen, und dort dachte er wehmütig und voller Heimweh an das Weihnachtsfest im elterlichen Haus. „Wir hatten schon vor einigen Tagen eine Weihnachtsfeier, da wir an den Festtagen wohl nicht dazu kommen.“ schrieb er den Eltern. In seiner Einheit wurden in diesen Tagen reichlich Leckereien wie Schokolade, Drops, Semmel, Kekse und Zigaretten ausgegeben.

Auch am Silvesterabend stand Heinz auf Wache und stellte sich die bange Frage, was das neue Jahr ihm wohl bringen würde. Sicher wohl die Geburt eines Geschwisterchens. Das wusste er, und darauf freute er sich sehr. Eigentlich hätte er wohl gerne eine Schwester gehabt, war dann aber auch froh über den kleinen Bruder, von dessen Geburt  Anfang Januar er kurze Zeit später erfuhr.

Der Krieg ging unterdessen mit großer Härte weiter. „4 feindliche Angriffe haben wir abgewehrt, davon 2 Panzerangriffe. Im Wehrmachtsbericht wird es wieder heißen, daß im mittleren Frontabschnitt einige Panzer abgeschossen sind. Aber was das heißt, wird man sich in der Heimat kaum vorstellen können. Es ist auch nur gut so.“

In einem weiteren Brief schilderte Heinz eine erfolgreiche Kampfhandlung und beschrieb seinen persönlichen Zustand so: „Mir geht es verhältnismäßig gut. Ich hatte mir die Füße etwas erfroren und die Hand verbrannt. Beides ist aber schon wieder so ziemlich geheilt.“ Gleichzeitig bereitete er seine Eltern darauf vor, dass er in der nächsten Zeit in Marsch gesetzt würde und wohl kaum Zeit zum Schreiben hätte. Post von ihm kam jetzt nur noch sporadisch, denn „augenblicklich heißt es marschieren und nochmals marschieren und nebenbei noch kämpfen…. Macht euch keine Sorgen.“

Das letzte Schreiben von Heinz datiert vom 24.03.1943. Wenige Tage später, am 03. April erhielt sein Vater die Nachricht:

„Am 28.3.1943 bei den Kämpfen ostwärts Karnowka ist Ihr Sohn Grenadier Heinz Blanke, getreu seinem Fahneneid, auf dem Felde der Ehre für Großdeutschland gefallen.

Die Kompanie wird Ihrem Sohn, der ein vorbildlicher Soldat und allseits beliebter Kamerad war, stets ein ehrenvolles Andenken bewahren.“ Dann folgte der Hinweis auf die letzte Ruhestätte und danach endete das Schreiben mit dem Satz: „Möge Ihnen die Gewißheit, daß Ihr Sohn sein Leben für den Bestand von Volk, Führer und Reich hingegeben hat, ein Trost in dem schweren Leid sein, das Sie getroffen hat.“

Mit diesem schwülstigen, verlogenen Text war von Seiten des Staates der Schlussstrich unter das Leben eines jungen Mannes gezogen, der wie viele andere in diesem schrecklichen, von Deutschland ausgehenden Krieg gestorben war, bevor er richtig gelebt hatte. Er hatte nicht nur seinen kleinen Bruder nicht mehr kennenlernen können, sein Leben war schon zu Ende, bevor er einen Beruf erlernen, eine Partnerschaft eingehen und eine Familie gründen konnte.   Mich erfüllt Trauer, wenn ich an die vielen jungen, hoffnungsvollen Menschen denke, die in diesem Krieg für eine unwürdige Sache gekämpft und ihr Leben verloren haben. Der Nationalsozialismus hat nicht nur sie auf dem Gewissen, sondern Millionen von Menschen, die Opfer dieses Weltkrieges und von rassistischer Verfolgung wurden. Ich habe die große Hoffnung, dass unsere Demokratie, die uns bisher so viele Friedensjahre beschert hat, stabil bleibt und das Leben meiner Enkel in friedlicheren Verhältnissen verlaufen kann, als das ihres so jung im 2. Weltkrieg gefallenen Verwandten.

Anmerkung:

Beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sind einige Informationen über Heinz Blanke zu finden.

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