Flussperlmuschel ca. 40 Jahre alt (Foto: Hans Jürgen Wiegleb)

Nach langem Suchen habe ich einige Exemplare der Flussperlmuschel an der Ohre beim Flecken Brome gefunden. Damit ist der Nachweis von beheimateten Muscheln gegeben. Die Größe der Schalen (160x85x50mm) zeigt auch, dass sie schon viele Jahre in diesem Gewässer leben. Die Qualität des  Wassers und der Lebensraum sind  für die Tiere sehr gut.

Fundort von Flussperlmuscheln an der Ohre in Brome (Foto: Hans Jürgen Wiegleb)

Die unter Naturschutz stehende Flussperlmuschel (Margaritifera Margaritifera) ist selten geworden, denn sie liebt reine kalkarme Gewässer und hat ihre Heimat in ungestörten Flüssen der Lüneburger Heide, dem Bayerischen Wald, Fichtelgebirge und im Voigtland. Die Muschelart kann 60 bis 80 Jahre alt werden und Perlen erzeugen. Die Brutpflege erfolgt in den inneren und äußeren Kiemenblättern, Laichzeit ist im Juli und August, Brutzeit etwa 14 Tage. Verbreitet werden sie als Parasiten an den Kiemen von Bachfischen. Die Flussperlmuschel braucht  ca. 15 Jahre in ihrer Entwicklung bis zur Produktionsfähigkeit von Perlen. Die Perlbildung wird durch Verletzung der Muschel durch einen Fremdkörper verursacht. Die Perlmutt-Absonderung  kapselt die Verletzung mit Fremdkörper ab und bildet schichtweise eine Perle. Die Schichten wachsen im Jahr ca. 0,05 mm. Nur so kann es sein, dass  jede 3000ste Muschel  durch Zufall eine brauchbare Perle enthält. Eine 4 mm Perle hat eine Wachstumszeit von ca. 20 bis 25 Jahren.

Flussperlmuscheln ca. 10 Jahre alt (Foto: Hans Jürgen Wiegleb)

Das Perlensuchen in der Heide hatte in früheren Jahrhunderten Tradition und  man findet in den Museen noch viele Schaustücke mit Perlen und Perlstickereien. Das Perlmutt der Schalen wurde ebenfalls  verarbeitet und man hat die Muschel  als Nahrung verzehrt.

Im ausgehenden Mittelalter und vermutlich schon früher war das Fischen nach Perlen der Flussmuschel  ein Privileg der Klöster und Landesherren. Die gewonnenen Perlen wurden in den Klöstern im  Heideraum  für Schmucktextilien verwendet. Harte Strafen für Raubfischerei  waren angezeigt. Nach der Reformation  hatten nur noch die Landesherren das Vorrecht der Perlfischerei. Von 1641 bis 1709 überwachten beeidete Aufseher das fürstliche Hoheitsrecht der sachgemäßen  Fischerei  in der Fuhse, Lachte, Lutter, Gerdau, Heidbek, Luhe und anderen Flüssen. 1658 ließ Herzog Christian Ludwig eine Strafandrohung von 50 Reichstalern bei Raubfischerei verkünden. 1664 wurde die Heidbek bei Hollenstedt,  1671 die Luhe bei Wulfsen und Toppenstedt und die Aue bei Bodenteich  als Fundpunkte benannt.  Die Herzogin Eleonore, Frau des Herzogs Georg Wilhelms, besaß eine schöne Kette aus heimischen Flussperlen. 1706 lieferten drei beeidete Perlfischer 292 unreife und 295 reife Perlen. Eine völlig runde Perle von 15 Gran wurde in der Gerdau bei Uelzen gefunden.  Die Muscheln wurden fachgerecht den Bächen entnommen,  vorsichtig mit speziellen Zangen geöffnet, kontrolliert und wieder lebend auf den Bachgrund zurückgesetzt.   Nach 1700 begann der Raubbau und die Muschelbestände wurden fast vernichtet. Erst 1840 bis 1870 wurden wieder größere Mengen der Muscheln gefunden. Ein Hamburger schenkte 1860 der Königin Marie von Hannover 64 sehr schöne Flussperlen.  1906 und 1926 gibt es Kunde von Perlfunden in der Aschau bei Beedenbostel  und in der Lachte bis zu einem Gewicht von 15,5 Gran. Es gab auch in den 1930er Jahren Versuche von Perlzucht mit den Flussperlmuscheln  im Heideraum.  Man setzte Kerne ein und betrieb Bestandspflege. Die Muscheln und Perlen wuchsen sehr langsam und konnten mit dem Weltmarkt nicht mithalten. Das Verbot der wilden Perlfischerei  in der Lutter und Lachte der Landesregierung Niedersachsens  nach dem 2. Weltkrieg  erinnert an das Vorhandensein von Flussperlmuscheln. 1951 gab es wieder Meldungen von seltenen Kostbarkeiten in der Lachte und Lutter.

Perstickerei Kloster Isenhagen (Foto: Hans Jürgen Wiegleb)
Perlstickerei Kloster Lüne (Foto: Hans Jürgen Wiegleb)

In den Frauenklöstern der Lüneburger Heide wie Kloster Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Walsrode und Wienhausen  werden Applikationsarbeiten aus dem Spätmittelalter erhalten und teilweise gezeigt.

Perlmutverarbeitung (Foto: Hans Jürgen Wiegleb)