Bromer Geschichte

Ein Blog des Museums- und Heimatvereins Brome e.V.

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Schmuggel in Brome – Der Schmuggler Hannover holt seinen Wagen aus der Steimker Zollscheune

Der Flecken Brome war bis zum Beitritt des Königreichs Hannover zum Deutschen Zollverein im Jahr 1854 ein bekanntes Schmugglernest. Besonders der Salzschmuggel aus dem Lüneburgischen in die benachbarte Altmark, die zum Kurfürstentum Brandenburg bzw. zum späteren Königreich Preußen gehörte, war ein lohnendes Geschäft. Die geografischen Bedingungen waren im Bromer ideal für den Schmuggelhandel. Die Grenze war zwar seit 1692 eindeutig durch sogenannte Schnedehügel markiert, allerdings wurde die Grenze nur von einigen wenigen Grenzjägern unzureichend bewacht. Der Bromer Bogen ist eine offene Ebene, die nach Osten nicht durch Feuchtgebiete begrenzt war. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert war der Bromer Bogen in weiten Teilen mit Heide bewachsen. Ausgedehnte Wälder wie heute gab es damals hier nicht. So konnten die Schmuggler tagsüber bereits von Weitem die brandenburgischen Grenzjäger sehen. Über die ausgedehnten Heideflächen führten zahlreiche befahrbare Wege in die Altmark.

Zahlreiche Schmugglergeschichte aus der Frühen Neuzeit sind überliefert. Hier wird nun eine Geschichte wiedergegeben, die der Klempner und Brauer Friedrich Schäfer im September 1922 in der Bromer Kirchenzeitung „Heimatglocken aus dem Ohratal“ veröffentlicht hat. Über die Geschichte der Brauerei Schäfer gibt es ebenfalls einen Blogeintrag! Hier nun die von ihm überlieferte Schmugglergeschichte:

Ganz besonders geschickt in dem Schmuggelhandwerk war in Brome ein Bauernsohn aus Ohrdorf, Hannover mit Namen, welcher sich nach Brome verheiratet hatte. Er hatte seine Kunst schon aus seinem Heimatdorf mitgebracht und war stets unentdeckt zum Ziel gekommen. Einmal nun hatte er mit vier bis sechs anderen Bromer Bürgern einen ganz großen Streich geplant. Sie hatten mehrere Fuhren Salz aus Lüneburg geholt und wollten damit nach Immekath fahren. Da plötzlich, als er mit seinem Wagen ½ Kilometer auf preußischem Gebiet ist, sieht er vier Grenzjäger aus sich zukommen. Verrat muss dabei im Spiel sein. Er springt schnell vom Wagen, schneidet die Strenge ab und jagt mit den Pferden nach Hause. Dann schleicht er sich wieder hin und sieht, wie die Grenzjäger den Wagen zum Steueramt nach Steimke fahren und zwar wird derselbe in einer kleinen Scheune der gräflichen Gastwirtschaft neben der Kirche untergebracht. Sie wie Hannover das alles beobachtet hat, eilt er zurück und holt seine Frau und seine Pferde. Die Grenzwächter sitzen vorn in der Gaststube und halten nach dem Hofe zu Wacht. Er aber führt seine Pferde nach der Außenseite der Scheune, bindet sie an, stößt mit den Füßen einige Steine heraus und macht die Öffnung so groß, dass er durchkriechen kann. Dann öffnet er die Tür nach innen, und, da diese nicht groß genug ist, dass ein Wagen durchfahren kann, trägt er als starker kräftiger Mann erst die Fracht vom Wagen hinaus, nimmt dann die Räder und Gestelle auseinander, trägt sie hinaus, stellt alles wieder zusammen und ladet die Fracht wieder auf. Dann spannte er die Pferde vor und fährt in der Nacht nach Immekath, wo das Salz bestellt war. Auf Umwegen über Mellin kommt er wieder unbemerkt nach Brome zurück. Die Grenzjäger aber hatten das Nachsehen und mussten überdies noch viel Spott ernten.

Anmerkung:

In dem Heft „Deutschlands Boden nährt uns alle“ von Friedrich Schäfer ist auch die oben zitierte Schmugglergeschichte abgedruckt. Hier sind noch weitere Schmugglergeschichten nachzulesen. Das Heft kann beim Museums- und Heimatverein Brome e.V. bestellt oder im Museum Burg Brome für 6,00 € erworben werden.

Die Rückkehr der Kraniche

Kraniche mit Jungvogel (Foto: Gerd Blanke)

Seit 2010 leben wieder Kraniche im Naturschutzgebiet an der Ohre nahe Altendorf. Dieses Gebiet ist sehr klein, aber für die Vögel wohl attraktiv genug, denn seit dieser Zeit ziehen sie regelmäßig im Jahr ein oder zwei Junge auf.

Noch vor gut 30 Jahren gehörte ihr heutiger Brutbereich zum Grenzgebiet der DDR, war gut bewacht und fast baumlos, da die Grenztruppen das Gelände für freies Sicht-und Schussfeld geräumt hatten. Die vorher stark mäandrierende Ohre war bis zum niedersächsischen Teil kanalisiert, die Altarme von der Ohre abgetrennt. Nach der Grenzöffnung wuchsen im Feuchtbiotop Weiden und Erlen. Durch die Altarme eignete sich das Gebiet nicht für die Landwirtschaft und wurde sich selbst überlassen.

Im Jahr 2004 übernahm eine Biberfamilie die Regie, denn das Feuchtgebiet ist für sie ideal. Weichhölzer wie Espe und Weide sind für die örtlichen Biber Nahrungsgrundlage. Die Tiere gestalten die Landschaft und die Gewässer nach ihren Bedürfnissen, legen in Gräben Transportwege für Zweige und Äste an, die zur Nahrung und zum Burgbau dienen, bauen kleine Dämme, oder stauen auch die Ohre, um konstanten Wasserpegel zu haben. Dieser Stau war wohl ausschlaggebend für die Kraniche, denn sie benötigen einen  Mindestwasserstand von 60 cm Tiefe um ihr Nest herum, damit Wildschweine, Füchse und andere Räuber die Eier oder Jungtiere nicht erreichen können. Das Nest wird auf einer kleinen Insel errichtet und ständig bewacht.

Im milden Winter 2019/20 verzichteten die hiesigen Kraniche auf einen Zug in den Süden. Die Ernährungslage war durch fehlenden Frost gesichert. So konnten sie frühzeitig ihr Revier, dass offensichtlich begehrt ist, gegen Konkurrenten mit ihren markanten trompetenartigen Rufen, aufgeregtem Hüpfen und Flügelschlagen verteidigen. Im Jahr 2020 besiedelten 2 Paare das Naturschutzgebiet „Ohreaue“. Bleibt zu hoffen, dass die großen Vögel weiter unbehelligt von uns Menschen hier in Ruhe leben können.

Der Otter bei Altendorf

Otter (Foto: Gerd Blanke)

Im letzten Jahrhundert war der Otter aus unserer Region scheinbar verschwunden, erst ab 2008 lebt er wieder in der Ohre bei Altendorf. Das ist durch zahlreiche Beobachtungen, Fotos  und Kotfunde nachgewiesen. Den Lebensraum konnte er durch die Bautätigkeit des Bibers zurückerobern. Dieser hat im Naturschutzgebiet die Ohre durch Dämme gestaut. Im den neu gebildeten Flachgewässern können sich Jungfische ideal entwickeln. Wo vermehrt Fische sind, finden sich auch die ein, die davon leben, wie Reiher, Eisvogel und Otter. Dadurch, dass der Mensch in die Landschaft dort nicht eingreift und „aufräumt“, gibt es durch umgefallene Bäume, zahlreiche Büsche und Uferhöhlungen ausreichend Verstecke, die der Otter bei seiner Nahrungssuche benötigt.

Die Tiere waren bei uns fast ausgerottet. Ihr unglaublich dichtes Fell mit mehr als 1.000 Haaren pro mm²  war früher sehr begehrt, um Pelze herzustellen. Außerdem wurden Otter als Nahrungskonkurrenten des Menschen bejagt. Heute steht das immer noch seltene Tier ganzjährig unter Schutz.

Als Nahrung dienen dem Wassermarder neben Fischen auch Frösche und wirbellose Tiere wie Schnecken. Egal, was das Tier gefressen hat, der Kot hat immer den gleichen Geruch.  Ursache dafür ist ein Darmenzym.

Da Otter meistens nachtaktiv sind, gelingt eine Beobachtung in freier Natur relativ selten. Das Foto entstand im Sommer 2015 durch Zufall, denn eigentlich wollte ich an einem Teich bei Altendorf ein Grünfüßiges Teichhuhn fotografieren, dessen Existenz von einem Bekannten angezweifelt wurde. Als sich das Schilf im Teich bewegte, drückte ich auf den Auslöser der Kamera und konnte so mehrere Bilder vom Otter schießen, der neugierig in Richtung des Klickgeräusches blickte. Gleich darauf muss ich den Otter durch eine Bewegung erschreckt haben, denn er tauchte plötzlich wieder ab.

Die Tiere sind äußerst beweglich, an Land wie im Wasser, fast 30 km/h ist ein Tier an Land schnell. Beim Tauchen können sie bis 8 Minuten unter Wasser bleiben. Ein Otter kann bis zu einem Meter lang und ca. 20 kg schwer werden. Bedingt durch den hohen Stoffwechsel müssen die Tiere 15 Prozent ihres Körpergewichts pro Tag fressen. Daher ist das Erscheinen eines solchen Tieres in Fischzuchtbetrieben und Angelgewässern wie den Ohreseen nicht gern gesehen.

Trotzdem muss der Mensch lernen, wieder mit seinen Nahrungskonkurrenten wie z.B. Otter, Reiher, Kormoran oder Wolf zu leben, da sie ein Teil unserer Natur sind und wichtige Aufgaben in der Nahrungskette erfüllen.

Der Letzte macht die Thüre zu – Hofübergabe – und Ehecontract von 1826

Seite aus dem Hofübergabe- und Ehecontract aus dem Jahr 1826

Auf den ersten Blick erschien die Lektüre des Hofübergabe- und Ehekontraktes, den ich aus der Deutschen Schrift in Druckschrift übertragen sollte, nicht besonders spannend. Dieser Eindruck änderte sich schnell, je mehr ich über die damalige Zeit recherchierte.

Der Vertrag wurde von der Familie Seelecke aus Tiddische in dem ca. 13 km entfernten Vorsfelde unterzeichnet, das damals zum Herzogtum Braunschweig gehörte.

Eisenbahnen, Automobile und selbst Fahrräder gab es damals noch nicht, also musste man den Weg entweder zu Fuß antreten oder mit Pferd und Wagen fahren. Die Eheleute Seelecke wollten ihren Hof „Samt allem Zubehör und Gerechtsamen, Vieh, Hof- und Feldinventar ihrem mitgegenwärtigen Sohn“ übergeben. Gleichzeitig sollte ein Ehekontrakt zwischen dem Sohn und der Braut abgeschlossen werden.

Für die Hofübergabe wurden dann folgende Bestimmungen festgeschrieben: „Sie (die Eheleute) referieren sich die Herrschaft noch so lange es ihnen beliebt. Während dieser Zeit soll der Bräutigam von ihnen zu genießen haben: Freien Unterhalt im Essen und Trinken und der Bräutigam auch freie Kleidung, dann jährlich 5 Himpten Roggen, die Winter- und Sommerwolle von vier Schafen und sollen ihnen außerdem drei Himpten Hafer in die Brache und zwei Viertelfaß Lein jährlich gesät werden, sie dagegen zu einer pflichtgemäßen Tätigkeit für das Beste des Hofes verbunden sein“. Himpten wurde mal mit p, mal ohne geschrieben und ist wie das Vierfass ein Hohlmaß, 1Himpten entspricht 1842 in Braunschweig ca. 31 Litern und ein Vierfass knapp 8 Litern.

Die Eltern des Bräutigams behielten es sich damit vor, die Wirtschaft so lange zu führen, wie es ihnen beliebte. Wenn der Hof tatsächlich an die jungen Leute überging, konnten sie sich aussuchen, ob sie mit den Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben wollten oder nicht. Für den Fall, dass alle an einem Tische bleiben wollten, bekamen die Eltern das Gleiche, was sie dem Sohn geben würden, zusätzlich eine „eiserne Kuh“. Eisern steht hier für hart, fest und unangreifbar. Es handelte sich dabei um die zweitbeste Kuh im Stall, und sollte diese verkauft oder geschlachtet werden, so blieb das Anrecht auf die nächste zweitbeste Kuh erhalten. Für den Fall, dass die jungen Leute es vorzogen, für sich zu wirtschaften, wurde eine Auflistung für das Altenteil zusammengestellt, die ich hier in Auszügen wiedergeben möchte: „Jährlich 16 Himpten Roggen /ca. 500Liter), einen Himpten Buchweizengrütze (ca. 31 Liter), einen Himpten Salz, zwei Vierfass Saat (fast 16 Liter), ein Schwein oder dafür 3 rth. (Reichstaler), ein Fuder Heu (von einer bestimmten Wiese), ein Schock Roggenstroh (60 Stück) à 20 Pfund, zwei Vierfass Lein gesaet, drei Himpten Hafer in die Brache gesaet, die Winter-Sommerwolle von vier Schaafen, frei Feuerung zu allen ihren Bedürfnissen und an Obst eine Apfel- einen Birnen und zwei Pflaumenbäume“. Das war nicht wenig und musste von dem jungen Paar gut überlegt werden. Da die ländliche Bevölkerung überwiegend in Eigenversorgung lebte, war es notwendig, alle diese Punkte genauestens zu erfassen. Auch für den Fall, dass eines der Elternteile verstarb, wurden feste Kriterien bestimmt. Damit noch nicht genug. Der Hoferbe hatte auch noch Leistungen an die Geschwister zu erbringen: „An Abfindungen hat der Hofannehmer folgendes zu prästiren (eine Sachleistung zu erbringen): An seinen Bruder: „Dieser soll nach dem Absterben der Älteren, oder wenn diese es wollen sofort auf dem Hofe zu erbauenden Spieker beziehen, und solchen bis auf seine und seiner Ehefrau Lebzeiten benutzen können, und soll dabei das …Gartenstück …,ein Vierfass Lein gesaet, und außerdem ein Fuder Heu, … welches letztere ihm der Hofwirth frei anfahren soll. Letzterer soll ihm noch besonders, wenn der Abzufindende sich verheirathet, ihm am Tage der Hochzeit ein vollaufgemachtes Bette und dann, so wie es dessen Bedürfnis mit sich bringt, zwei Schaafe mit Lämmern mitgeben.“ Dafür musste sich der Bruder zu bestimmten Arbeiten auf dem Hof verpflichten. Fand der Bruder des Hofabnehmers sein Eheglück anderswo, so waren die Abfindungen für diesen Fall auch genauestens geregelt. Er bekam dann an Geld 100Taler Conventionsmünze. Ein Conventionstaler war 1813 in Braunschweig-Wolfenbüttel 16 Gutegroschen wert. Da das Münzwesen sehr unübersichtlich war, konnte ich über den Wert nichts herausfinden, gehe aber davon aus, dass es sich um eine erkleckliche Summe handelte. Dazu ein aufgemachtes Bett und einen vollständigen Kistenwagen, was einer umfassenden Aussteuer entsprach. Auch an die Schwester waren noch einige Abfindungen zu leisten. Im mitverhandelten Ehekontrakt erklärt der Hofannehmer seine Braut als Miteigentümerin des Hofes. Diese musste bares Geld, einen vollständigen Kistenwagen und eine genau festgelegte Anzahl an Kühen, Ochsen und Schafen mitbringen. Zum Schluss wird für den letzten Fall alles geregelt: „Auf den Fall, daß einer von den Verlobten nach vollzogener Ehe vor dem andern ohne Hinterlassung von Kindern aus dieser Ehe sterben sollte, daß dann das Sprichwort „Der Letzte macht die Thüre zu“ eintritt“. Unterschrieben wurde dieser Vertrag mit Handzeichen, also mit 3 Kreuzen für die jeweilige Person. Über diesen Vertrag ließe sich noch viel mehr ausführen, deutlich wird aber, dass sich darin ein Leben mit viel harter Arbeit und stetigem Fleiß widerspiegelt. All die Errungenschaften, die unser Leben so erleichtern, gab es damals noch nicht, die Industrialisierung war noch in weiter Ferne. Viel Glück hat die junge Familie scheinbar nicht gehabt, bereits 1852 war die junge Frau verwitwet, und auf lange Sicht ist der Hof dann auch nicht in der Familie geblieben.

Ein Denkmal für Lehrer Büttner

Als ich den 2. Teil der Altendorfer Schulchronik aus der deutschen Schrift übertragen habe,   war ich von den dort enthaltenen Niederschriften des Lehrers Hermann Büttner besonders beeindruckt. Was er über sein Arbeitsleben in Altendorf und sein persönliches Schicksal aufgezeichnet hat, hat mich sehr berührt und so entstand der Gedanke, diesem Pädagogen mit dem Aufsatz im Kreiskalender ein schriftliches Denkmal zu setzen und seine Arbeit und seine Person zu würdigen.

Hermann Büttner hat von Dezember 1945 bis Ende Mai 1950 Jahre als Lehrer in der einklassigen Volksschule in Altendorf gewirkt. Dankenswerterweise hat er nicht nur das Führen der Schulchronik wieder aufgenommen, sondern daneben auch die Aufzeichnung des Gemeindelebens aus der Zeit nachgeholt, als die Schule während des Krieges geschlossen war. Da ihm das aus eigener Anschauung nicht möglich war, hat er die Geschehnisse durch Befragungen der Dorfbewohner nachgezeichnet. Dieser Text ist meines Wissens nach die einzige Quelle, aus der man über diese Zeit in Altendorf Genaueres erfahren kann. Damit allein hat er sich sehr verdient gemacht. 

„Ich war ohne jede Zivilkleidung hier angekommen, hatte aber von dem Bauern Rehfeldt in Benitz 1945 einen Anzug geschenkt erhalten. Diesen trug ich sonn- und werktags. Da er Kriegsware war, zerfiel er bald in Fetzen. Alle meine Bemühungen, einen neuen Anzug zu erhalten, waren vergebens. Erst nach der Währungsreform 1948 konnte ich mich neu einkleiden.“

Diese wenigen Sätze beschreiben gut, in welch schwieriger Situation sich Büttner und mit ihm seine ganze Familie befand.

Schule Altendorf mit Lehrer Büttner (um 1947)

Der Altendorfer Schulchronik, Band II, ist zu entnehmen, dass die örtliche einklassige  Schule mit 44 Schülern am 28.03.1940 wegen Lehrermangels geschlossen und die Kinder vom 1. April an in Brome unterrichtet wurden. Diese Schließung dauerte die Kriegszeit über an und wurde am 20.12.1945 beendet. 55 Kinder aus Altendorf und Benitz wurden von da an wieder in Altendorf beschult. Einziger Lehrer für alle Kinder war Hermann Büttner.

1946 betrug die Schülerzahl durch den Zuzug von Flüchtlingen 73 Kinder, die nun auch alle von Lehrer Büttner unterrichtet werden mussten. Da diese große Anzahl von Kindern nicht in dem einzigen vorhandenen Klassenraum unterzubringen war, teilte er sie auf und unterrichtete vormittags die Ober- und Mittelstufe und nachmittags die Unterstufe. „Dieser Betrieb hat den Lehrer stark belastet“, vermerkte er darüber.

Für den Klassenraum stand in dem strengen Winter 1946/47 nicht ausreichend Brennmaterial zur Verfügung, um den Kachelofen zu heizen. So wurde die Regelung getroffen, dass in den Monaten Januar und Februar nur an drei aufeinanderfolgenden Tagen unterrichtet werden sollte und die nächsten 3 Tage unterrichtsfrei waren. Die Nachbarschulen wurden in diesen Monaten wegen des gleichen Problems sogar ganz geschlossen.

Die 73 Kinder waren eine zu riesige Belastung für einen Lehrer. Als sich herausstellte, dass die Schülerzahl durch weiteren Flüchtlingszuzug noch mehr anwachsen würde, fasste die Gemeinde Altendorf endlich den Beschluss, eine zusätzliche Lehrerstelle zu beantragen.

Ab Ostern 1947 waren es inzwischen 98 Kinder, die in zwei Abteilungen zusammengefasst wurden. Endlich, am 16. Juni, konnte Lehrer Richard Kollna seinen Dienst antreten, so dass jetzt 2 Lehrer in nur einem Klassenraum im Schichtbetrieb unterrichteten. Zu Beginn des neuen Schuljahres, Ostern 1948, hatte die Schule 101 Schüler, davon 45 Kinder aus Altendorf und Benitz und 56 Flüchtlinge. Die meisten kamen aus dem Warthegau, einige aus Ost- oder Westpreußen, andere aus Bessarabien.

Wegen der katastrophalen Ernährungslage in Deutschland hatte sich der ehemalige US-Präsident Herbert C. Hoover dafür eingesetzt, dass Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren täglich mit einer Mahlzeit versorgt werden sollten. Um die Unterernährung zu mindern, wurden von den Amerikanern Lebensmittel bereitgestellt, die auch den Kindern in Altendorf hätten zugute kommen können. Leider scheiterte das zunächst, weil die Gemeinde wegen der allgemeinen Warenknappheit keinen Kochkessel beschaffen konnte. „So mußte diese segensreiche Einrichtung hier unterbleiben“, bedauerte Lehrer Büttner.

Das Schulgebäude war lange Jahre nicht renoviert worden und so war es nicht verwunderlich, dass sich allerlei Mängel und Schäden einstellten. Handwerker lehnten Aufträge dafür ab, da sie kein Material hätten und „unmöglich welches beschaffen könnten“. Allerdings vermerkte Lehrer Büttner, dass bei den Bauern durchaus neue Fenster und Türen eingesetzt wurden. Im Tausch für begehrte Lebensmittel ließ sich manches bewerkstelligen.

Nicht nur die hohe Kinderzahl und der schlechte bauliche Zustand der Schule bereiteten den beiden Lehrern Probleme. Dazu kam noch, dass vor der Währungsreform kein Lehr- und Lernmaterial zu bekommen war. Es fehlte alles, was man für den Schulbetrieb eigentlich brauchte: Bücher, Hefte, Bleistifte, Stahlfedern zum Schreiben und vieles mehr. „1946 besaßen die Kinder überhaupt keine Lernbücher, weder Lesebücher, noch Rechenbücher, noch Fibeln.“

Wie ein übles Possenspiel muten heute die „Bemühungen um die Beschaffung eines Lehrertisches“ an. „Die Altendorfer Schule ist wohl die einzige im Kreis, die solch ein Schulmöbel nicht besitzt. Der Lehrer muß sich, wenn er etwas zu schreiben hat, stets in eine der Schülerbänke setzen“. Obwohl die Notwendigkeit anerkannt wurde, dass der Lehrer einen Tisch brauchte, war er vor der Währungsreform nicht zu beschaffen. Die Tischler weigerten sich, gegen Bezahlung mit Geld zu arbeiten.

Auch das Einsammeln von Brettern bei den örtlichen Waldbesitzern führte nicht zum Erfolg, so dass die Gemeinde schließlich die Schulenburgische Forstverwaltung um die Lieferung eines Baumes bat. Der wurde auch nach 9 Monaten zum Sägewerk gebracht. Die Bretter sollten nun von einem Bromer Tischler zu einem Tisch verarbeitet werden. Daraus wurde wieder nichts, weil die Schülerzahl inzwischen angestiegen war und neue Bänke und eine Doppeltür zwischen Klassenzimmer und Lehrerwohnung vorrangig erstellt  werden mussten. „Für den Lehrertisch blieb nichts übrig“.

Kummer bereitete Hermann Büttner auch noch die Bewirtschaftung des Dienstlandes, das zu seiner Lehrerstelle gehörte und für seine und die Versorgung seiner Familie lebensnotwendig war. Davon wollten aber die langjährigen Pächter nichts wissen und nach vielerlei Ausflüchten war endlich einer der Pächter bereit, etwas Land abzutreten. Das reichte aber nicht zur Ernährung der inzwischen 6-köpfigen Familie aus, so dass Büttner Kartoffeln und Getreide dazukaufen musste. Auch das war wegen der bestehenden Zwangsbewirtschaftung und der Knappheit an Gütern aller Art schwierig.

Der Streit mit den Pächtern hielt an und erst mit der Besserung auf dem Lebensmittelmarkt und der Aufhebung der Zwangswirtschaft wurde es für den Lehrer überflüssig, weiter auf seinem Recht zu beharren. “Der Verlauf dieser Angelegenheit hat aber manche Verbitterung hinterlassen“.

Am 22. September 1948 begann auch in Altendorf endlich die Hoover-Schulspeisung, denn der notwendige Kessel konnte jetzt leicht beschafft werden. „Wir hätten uns Dutzende von Kesseln kaufen können“, notierte Büttner dazu. Die Lagerung und das Kochen der Lebensmittel übernahmen zwei Frauen aus dem Dorf. Die Gemeinde musste die Lebensmittel bezahlen und für die Kinder kostete eine Mahlzeit 0,15 DM. Um kinderreichen Familien und vor allem Flüchtlingsfamilien die Zahlung zu erleichtern, wurden auf das Betreiben der Lehrer hin Patenstellen geschaffen. So konnten 13 Kinder aus Altendorf und 12 aus Benitz kostenlos am Essen teilnehmen. Die Schulspeisung erstreckte sich über fünf Monate, von September 1948 bis Januar 1949.

In diesen Notjahren nach dem Zusammenbruch wurden die Schulkinder recht häufig dazu aufgerufen, Geldsammlungen durchzuführen, denn es fehlte an allen Ecken und Enden im Land. So sammelten sie zur „Woche der Hilfe“, für den Ausbau der Jugendherbergen, für die Blindenhilfe, die Tuberkulosebekämpfung, die Kriegsgräberfürsorge usw., bis es den Kindern und den Eltern und nicht zuletzt den Lehrern zu viel wurde und sie weitere Sammelaktionen ablehnten.

Ganz allmählich normalisierte sich der Schulbetrieb. Sportliche Jugendwettkämpfe wurden durchgeführt, und mit Beginn des Schuljahres 1949 gab es wieder Handarbeitsunterricht.  Sogar erste Schulausflüge nach Hannover und in den Harz fanden statt.

„Zum 1.5.50 bin ich auf meinen Wunsch und Antrag, der bereits länger als ein halbes Jahr zurückliegt, nach Wolfsburg versetzt worden…“ Damit endete die schwierige Amtszeit des Lehrers Büttner in diesen Not- und Elendsjahren nach dem 2. Weltkrieg, die ihm und seiner Familie in dem bäuerlichen geprägten Altendorf arg zusetzten.

Hermann Büttner selbst resümiert mit einiger Bitternis: „Ich habe diese Dinge so ausführlich dargestellt, um die Nöte  und Schwierigkeiten aufzuzeigen, mit denen ich in den vergangenen 4 Jahren habe kämpfen müssen. Es war alles schwer: Die Arbeit in der Schule in den ersten Jahren ohne Bücher, Hefte und andere Hilfsmittel, das Leben als Flüchtling ohne Kleider, Wäsche, Hausrat, Möbel, die Ernährung einer sechsköpfigen Familie ohne Erleichterung seitens der Stellen, die sie mir hätten erleichtern können. Es war eine schwere Zeit.“

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