Ein Blog des Museums- und Heimatvereins Brome e.V.

Kategorie: Zicherie (Seite 4 von 4)

Streitigkeiten um den Grenzverlauf zwischen Zicherie und Böckwitz (1653)

Festlegung des Grenzverlaufs im Jahr 1543

Dem Text des Vertrages von Wallstawe vom 14. Juni 1692  ist zu entnehmen, dass die Grenze von Brome bis Zicherie und Böckwitz bereits im Jahr 1543 einmal festgelegt wurde. Es heißt:

Nach diesen hat man derner die grentz unterhalb Brohma von der ohre bis hinter Böckwitz und Zicherey nach anweisung des recessus de ao: 1543 renoviret, und mit itzigen Nhmen von denen orthen, da die alten verändert, Beschrieben.

Die Grenze wurde bis an den „Heimlichen Busch“ mit Hügeln und Grenzpfählen markiert, heißt es wenig später im Vertrag.

Über die Grenze von Zicherie bis in den Drömling konnte allerdings keine Einigung erzielt werden. Hier gab es von nun an zwei Grenzlinie: nach lüneburgischer Interpretation verlief die Grenze entlang der Teuternitz; nach brandenburgischer Interpretation verlief westlich der Teuternitz, wo Malhügel den Verlauf markieren. Die Lüneburger erkannten diese Malhügel aber nur als Feldmarkgrenze an, nicht aber als Landesgrenze.

Die Hügel wurden 1570 sogar noch einmal erneuert mit der Bemerkung, dass sie keinem zum Nachteil sein sollen. Der genaue Grenzverlauf wurde aber wieder nicht geklärt.

Ausschnitt aus der Karten von Strauß (1688) - Die gestrichelte Linie ist der Grenzverlauf nach lüneburgischer Interpretation an der Teuternitz entlang. Die Mahlhügel mit den Nummern 125 markieren die Grenze nach brandenburgischer Interpretation.

Eskalation des Grenzstreitigkeit ab 1653

Aber im Jahr 1653 ist die Lage in Zicherie-Böckwitz eskaliert, als Carsten Broman aus Böckwitz seine 60 Bienenstöcke an einen strittigen Ort gesetzt hatte. Der bartenslebensche Amtmann zu Brome pfändete daraufhin 53 Bienenstöcke und ließ sie nach Brome bringen. Die restlichen sieben verblieben an Ort und Stelle, weil sie nicht mehr transportiert werden konnten.

Was war nun genau geschehen?  Die Grenze war an dieser Stelle südlich der beiden Orte wohl doch nicht so eindeutig markiert, wie es im Vertrag von Wallstawe angedeutet wurde. Es gab zwei Auffassungen vom genauen Grenzverlauf, wie auch der Karte von Strauß (1688) zu entnehmen ist.

  1. Bartenslebensche Auffassung: Die Grenze zwischen Brandenburg und Lüneburg verlief entlang der Teuternitz bis an der Stelle, wo sie in die Ohre fließt.
  2. Brandenburgische Auffassung: Westlich der Teuternitz sind Erdhügel, die die Grenze bilden. Hier stellt sich die Interpretationsfrage: Welche Grenze ist hiermit nun gemeint: die zwischen Brandenburg und Lüneburg (also eine Landesgrenze) oder eine Feldmarkgrenze zwischen Zicherie und Böckwitz?

Auch im März 1655 gab es noch keine Einigung in diesem Grenzstreit. Zu der Zeit waren bereits 23 der gepfändeten Bienenstöcke tot, wie es in einem Schreiben des Amtes Knesebeck heißt. Diesem Schreiben fügt er als Beweise die Rezesse von 1543 und 1570 bei. In einem weiteren Schreiben fordert er von Carsten Broman 1 Pfennig Fluggeld für jedes seiner 60 Bienenvölker. Broman sollte also auch noch dafür bezahlen, dass die Völker in Brome ausfliegen konnten Honig sammelten!

Im Oktober 1655 waren von den 53 gepfändeten Bienenvölkern nur noch ungefähr zehn am Leben, wie Güntzel Klingbeil berichtet. Wie diese Geschichte nun ausgegangen ist, ist den Akten leider nicht zu entnehmen.

Geschichte der Grenzsperranlagen in Zicherie (1945 bis 1961)

Die Geschichte der Sperranlagen an der innerdeutschen Grenze zwischen dem niedersächsischen Ort Zicherie (früher: Britische Besatzungszone) und dem sachsen-anhaltinischen Ort Böckwitz (früher: Sowjetische Besatzungszone) beginnt nach dem Ende des 2. Weltkrieges im Jahr 1945. Wann genau die erste Straßensperre zwischen den beiden Orten errichtet wurde, lässt sich aus den bis heute eingesehenen Unterlagen und Bildern nicht genau rekonstruieren. Ein Schlagbaum trennte damals die beiden Orte Zicherie und Böckwitz.

Im Mai 1952 verschärfte sich die Lage an der deutsch-deutschen Grenze. Auf DDR-Seite wurde damit begonnen, entlang der Grenze einen gepflügten 10-Meter-Kontrollstreifen, dem sogenannten K 10, anzulegen. Gleichzeitig damit wurde auch die Bewachung der Grenze umgestellt. Das sowjetische Militär wurde von der Grenze abgezogen und die Überwachung von DDR-Grenzpolizisten übernommen. Der illegale Grenzverkehr ging durch diese Maßnahmen schlagartig zurück.

Gleichzeitig mit diesen Maßnahmen wurde zwischen den Orten Zicherie und Böckwitz ein drei Meter hoher Bretterzaun angelegt, der selbst Sichtkontakte zwischen den Einwohnern der beiden Orte unmöglich machte. Häuser, die in unmittelbarer Nähe der Grenze lagen, wurden geräumt und später abgerissen. Die Bewohner wurden in der sogenannten „Aktion Ungeziefer“ zwangsausgesiedelt.

Im August 1956 wurde der Bretterzaun entfernt und durch einen Stacheldrahtzaun ersetzt.

Blick von Zicherie auf den Bretterzaun. Dieser trennt Zicherie und Böckwitz bis August 1956. Aus: unmenschliche Grenze. Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für Heimatdienst. 1958
Blick von Zicherie nach Böckwitz (Aufnahme von 1957). Aus: unmenschliche Grenze. Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für Heimatdienst. 1958

Der Verlauf der innerdeutschen Grenze war allerdings bis zum 13. August 1961 nicht überall durch Schilder bzw. Sperranlagen markiert. Auf westdeutscher Seite wurde eine neue Verbindungsstraße zwischen Zicherie und Kaiserwinkel gebaut, die weitgehend parallel zur innerdeutschen Grenze verlief. Die Grenze verlief unmittelbar in der Grabenmitte östlich der Straße. Sie war hier weder durch Schilder, noch durch Sperrmaßnahmen markiert.

Straßen von Zicherie nach Böckwitz. Links neben der Straße ist der Grenzgraben. Gleich dahinter der geeggte 10-Meter-Streifen auf DDR-Gebiet. Aus: unmenschliche Grenze. Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für Heimatdienst. 1958

Zuständig für die Überwachung der innerdeutschen Grenze auf DDR-Seite im Bereich von Steimke bis Kaiserwinkel war die Grenzkompanie Jahrstedt, die der Grenzbereitschaft Gardelegen unterstellt war. Die Ausrüstung der Kompanie Jahrstedt kann bis Anfang der 60er Jahres des 20. Jahrhunderts als sehr bescheiden beschrieben werden. Im Jahr 1950 besaß die Einheit 10 Fahrräder. Im Jahr 1952 kamen 10 Fahrräder und ein Motorrad mit Beiwagen dazu. Im Jahr 1961 verfügte die Einheit über insgesamt 28 Fahrräder und ein Motorrad mit Beiwagen. Die Stabsstelle in Kunrau verfügte Anfang der 50er Jahre über einen VW-Kübel, einen IFA F8 Kombi Krankenwagen und einen Garant LKW. Sowohl die Kompanie Jahrstedt als auch die Stabsstelle Kunrau verfügten über Telefon, allerdings nicht über Fernschreiber und Funkgeräte. Die einzige Möglichkeit zur Alarmierung der Kompanie von der Grenze war das Grenzmeldenetz, das im Hinterland der Grenze verlief und in das sich die Grenzsoldaten mit entsprechenden Geräten einklinken und Meldung machen konnten. In der Nähe der Stelle, an der Kurt Lichtenstein am 12. Oktober 1961 erschossen wurde, befand sich kein Einwählpunkt ins Grenzmeldenetz, so dass die Alarmierung der Kompanie Jahrstedt auf anderem Wege erfolgen musste.

Als Waffen für die Grenzpolizisten standen in der Kompanie Jahrstedt Pistolen vom Typ Parabellum, Karabiner Mauser 98 K sowie Maschinenpistolen (MPi) zur Verfügung.

Nach dem 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, verschärfte sich die allgemeine Lage an der innerdeutschen Grenze. Eine Kontaktaufnahme zwischen Zoll und Bundesgrenzschutz (BGS) mit Offizieren der Grenztruppen, wie sie zu dem Zeitpunkt üblich war, war nicht mehr möglich. Es wurde an der Grenze von DDR-Seite ein neues System der Grenzsicherung eingeführt. An Stellen, an denen sich noch kein Drahtzaun befand – wie z.B. an der Stelle, an der Kurt Lichtenstein die Grenze überschritten hatte und erschossen wurde – wurden Holzpfähle eingeschlagen, die verdrahtet wurden. 

Anmerkung:

Diese kurze Geschichte der Grenzsperranlagen bei Zicherie wurde zuerst in dem Buch „Kurt Lichtenstein – getötet am 12.10.1961. Tragischer Tod eines Grenzgängers“ von Jens Winter veröffentlicht. Das Buch ist beim MHV Brome erhältlich!

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