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Vortrag über Kleinbahnen mit besonderer Berücksichtigung des Projekts Uelzen-Oebisfelde (1895)

Ferdinand von Weyhe (um 1909)

Am 6. Februar 1895 hielt der Hauptmann a. D. Rittergutsbesitzer Ferdinand von Weyhe vor den Mitgliedern des Landwirtschaftlichen Vereins Brome und Umgebung einen Vortrag über das Bahnprojekt Uelzen-Oebisfelde. Der Vortrag wurde vom Landwirtschaftlichen Verein im Jahr 1896 als gedrucktes Heft veröffentlicht, welches für 20 Pfennig verkauft wurde. Hier folgt der Text des Vortrags im Wortlaut:

Vortrag über Kleinbahnen mit besonderer Berücksichtigung des Projektes Uelzen – Oebisfelde

Das Gesetz über die Kleinbahnen vom 28. Juli 1892 sagt:

“ Kleinbahnen sind die dem öffentlichen Verkehre dienenden Eisenbahnen, welche wegen ihrer geringen Bedeutung für den allgemeinen Eisenbahnverkehr dem Gesetze über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 nicht unterliegen.

Insbesondere sind Kleinbahnen der Regel nach solche Bahnen, welche hauptsächlich den örtlichen Verkehr innerhalb eines Gemeindebezirks oder benachbarter Gemeindebezirke vermitteln, sowie Bahnen, welche nicht mit Lokomotiven betrieben werden.“

Meine Herren! Die Kleinbahnen unterscheiden sich äußerlich meistens von der Vollbahn durch engere Spurweite, sowie leichte Schienen und Betriebsmittel; unter Betriebsmittel versteht man Wagen und Lokomotiven.

Ich sagte, meistens wird eine Kleinbahn leichter und mit schmalerer Spur gebaut werden als eine Vollbahn, nöthig ist es absolut nicht, am vortheilhaftesten für einen ungehinderten und unmittelbaren Anschluß an die Vollbahn wird selbstverständlich die Spurweite dieser letzteren sein.

Sie ist da geradezu geboten, wo es sich um die Verfrachtung solcher Güter handelt, die Tag für Tag, jahraus jahrein in großen Massen fortzuschaffen sind, eine Vertheuerung durch Umladen nicht vertragen und umgehend mit der Vollbahn nach fern gelegenen Orten weiter geschickt werden müssen, oder die aus weiter Ferne herbeizuführen sind.

Dies würde zutreffen bei großen Fabriken, Steinbrüchen, Ziegeleien, großen Mühlen u.s.w., die nicht sehr weit von der Vollbahn entfernt liegen und große Gütermassen überall hin versenden resp. von überall her erhalten.

Im Uebringen wird man diejenige der durch das Kleinbahngesetz gestatteten Spurweiten außer Normalspur (1,435 Meter) 1 Meter, 0,75 Meter und 0,60 Meter wählen, welche dem beabsichtigten Zweck am meisten entspricht.

Die schmale Spur hat vor der sog. Normalspur das voraus, daß sie schärfere Curven und stärkere Steigungen gestattet, wodurch es möglich wird, die Bahn in die Ortschaften hineinzuführen, Bergwerke, Fabrikhöfe und sonstige Productionsstätten, als Stärkefabriken, Meiereien, Mühlen, Ziegeleien u.s.w. bequem anzuschließen; sodann erlaubt die schmale Spur einen engen Anschluß an die Geländeverhältnisse, wodurch die Erdarbeiten und in demselben Maße auch das erforderliche Landareal erheblich verringert werden; sie ermöglicht die Benutzung von Acker- und Wegegrenzen, so daß die Durchschneidung werthvoller Grundstücke thunlichst vermieden wird, und wo sonst von solcher nicht Umgang zu nehmen ist, wird die Wirthschaftsstörung auf den getrennten Aeckern gemildert, da weite Umwege und die Anlage von Parallelwegen durch vermehrte Niveauübergänge vermieden werden können.

Alle vorgenannten Eigenschaften schließen jedoch in sich die Verbilligung der baulichen Ausführung; und wenn außerdem die Kleinbahn für ihre Zwecke nur einen billigen Oberbau, leichte Betriebsmittel und ganz einfache Bahnhofsanlagen erfordert, so ist es selbstverständlich, daß hier die Kosten etwa nur die Hälfte der normalspurigen Secundärbahn ausmachen.

Bei billiger Anlage kann die Kleinbahn natürlich auch zu niedrigen Fracht- und Personentarifen fahren; fährt sie aber billig, so wird sie viel genutzt werden, wodurch die Rentabilität und voraussichtlich noch ein Ueberschuß herausgewirthschaftet wird.

Anders ist es dagegen bei hohen Anlagekosten; um eine Verzinsung derselben zu bewirken können die Tarife für Fracht- und Personenbeförderung nicht soweit herabgesetzt werden, wie es unbedingt erforderlich ist, um jede Concurrenz des Landfuhrwerks auszuschließen und zur Benutzung zu animieren.

Wenn man eine Strecke von 5 Kilometer für 15 Pfg. durchfahren kann, würde man die Bahn benutzen, soll man aber 40 Pfg. bezahlen, so geht man vielfach zu Fuß oder bleibt zu Hause, wenn nicht etwa anderweitig billigere Fahrgelegenheit zu finden ist.

Die vor Jahren normalspurig gebauten Kleinbahnen – früher hießen sie bekanntlich Tertiärbahnen – bieten die vorhin aufgeführten Vortheile der Schmalspurbahn nur im geringen Maße, und haben sich namentlich in den Baukosten nicht erheblich von den Sekundärbahnen unterschieden.

So kostet z.B. die normalspurige Tertiärbahn Schleswig-Suderbarup 47 116 Mk. pro Kilometer, diejenige von Altona nach Kaltenkirchen, theilweise die Provinzial-Chaussee benutzend, pro Kilometer 34 634 Mk., wogegen die Kosten der schmalspurigen Kreis-Eisenbahn Flensburg-Kappeln pro Kilometer 24 381 Mk., diejenigen der Kreisbahn Bleckede-Dahlenburg-Echem 24 000 Mk. pro Kilom. betrugen; in beiden Fällen war die schmalspurige Bahn nur beinahe halb so theuer als die normalspurige.

Den großen Vortheilen der schmalspurigen Bahn steht der Nachtheil gegenüber, daß die Güter, welche von der Kleinbahn auf die Vollbahn zum Weitertransport übergehen sollen, umgeladen werden müssen. Die Kosten des Umladens werden aber häufig überschätzt, sie betragen pro Zentner 1 Pfennig, also pro 100 Zentner Ladung 1 Mk. (Auf einigen schweizerischen Bahnen sollen die Umladekosten für 200 Ztr. übrigens nur 80 Pfg. betragen.) Weitere Unbequemlichkeiten für den Verfrachter entstehen nicht, da die Kleinbahnverwaltung natürlich auf der Uebergangsstation für die Verladung sorgt. Es ist nicht etwa nöthig, daß der, welcher Güter verschickt, beim Verladen gegenwärtig ist.

Werden durch die Kleinbahn mit schmaler Spur pro Kilometer auch nur 20 000 Mk. Baukosten gespart, so ergiebt dies pro Jahr und Kilometer bei 4% = 800 Mk., es können also für die bei einem Kilometer Bau gesparten Zinsen bereits jährlich 400 Waggons a 200 Ztr. umgeladen werden (bei 75 Kilometer Bahnlänge 30 000 Waggons, welcher Verkehr unter den günstigsten Verhältnissen wohl kaum zu erhoffen ist).

Wir würden nun der Frage näher zu treten haben, ob für unsere Gegend und für unsere Verhältnisse eine Kleinbahn vorteilhaft und zweckmäßig sein möchte.

Daß eine Bahn einer Gegend unendliche Vortheile bringt, darüber sind wir uns ja alle klar, haben wir doch täglich Gelegenheit zu sehen, wie die Gegenden, welche so glücklich sind, von einer Bahn berührt zu werden, aufblühen und wie gut es den Leuten ergeht, welche es verstehen, Nutzen aus der Bahn zu ziehen.

Um der Vortheile eines Schienenweges theilhaftig zu werden, haben wir daher alle Hebel in Bewegung gesetzt, den Staat zu veranlassen, eine Bahn zu bauen.

Glauben wir doch bestimmt, daß eine Bahn von Uelzen in der Richtung Oebisfelde sich rentiren würde, ganz abgesehen von dem Durchgangsverkehr.

Es liegt auf der Hand, daß letzterer ganz kolossal sein würde, da eine Bahn Uelzen-Oebisfelde den Schienenweg zwischen der Welthandelsstadt Hamburg und der dichtbevölkerten Gegend um Magdeburg herum um 35 Kilometer abkürzen würde.

Daher ist unter Anderem auch von den Handelskammern der interessirten Städte, besonders denen zu Hamburg, Magdeburg und Lüneburg, fortgesetzt auf die Wichtigkeit dieser Bahn hingewiesen.

Der Landtagsabgeordnete für den Kreis Uelzen, Herr Landrath v. Tzschoppe hat seit Jahren bei jeder Berathung des Eisenbahnetats unsere Sache in höchst dankenswerther Weise vertreten, und seit Herr Landrath v. Berg die Kreise Gifhorn und Isenhagen vertritt, hat auch er unsere Interessen nicht minder geschickt und energisch wahrgenommen.

So führte Herr v. Tzschoppe in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 15. April 1893 z.B. Folgendes aus:

„Meine Herren, bei der großen Zahl der Redner, die zum Worte gemeldet sind, werde ich mir die größte Selbstbeschränkung in meinen Ausführungen auferlegen. Aber ich kann nicht umhin, auch diesmal wieder auf ein Project hinzuweisen, welches einen Kreis betrifft, der zu den wenigen Kreisen zählt, die zur Zeit noch gar keine Bahnverbindung haben, ein Project, welches außerdem zu den ältesten Projecten gehört, die überhaupt im preußischen Staate vorhanden sind. Es handelt sich um das Bahnproject Uelzen – Bodenteich – Wittingen – Oebisfelde.

In der langen Vorgeschichte dieses Projectes kann man im Ganzen drei Perioden unterscheiden. Schon lange vor 1866, zur Zeit der ehemaligen Königlich Hannoverschen Staatsregierung, wurden Verhandlungen mit derselben gepflogen bezüglich des Baues einer directen Bahn von Oebisfelde über Wittingen und Uelzen in Richtung Hamburg. Diese Verhandlungen sind damals gescheitert, weil die Königlich Hannoversche Staatsregierung auf die Bedingungen, die gestellt wurden, nicht eingehen wollte.

Dann ruhte das Project eine Zeitlang, bis 1872 die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn dasselbe aufnahm und die Genehmigung zur Vornahme der generellen Vorarbeiten erhielt. Diese generellen Vorarbeiten sind tathsächlich auch durchgeführt worden; aber es kam dann die Verstaatlichung der Magdeburg-Halberstädter Bahn dazwischen, und es wurde Seitens des Preußischen Staates das Project einstweilen zurückgestellt.

Im Anfang der 1880er Jahre fand eine Wiederaufnahme der Ermittlungen über die Bahnlinie statt; es wurden diesbezügliche Petitionen eingereicht, deren eine am 9. Mai 1885 in diesem Hohen Hause zur Verhandlung kam; sie fand damals eine sehr günstige Beurtheilung und wurde der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung überwiesen. Es haben seit jener Zeit noch zahlreiche Interessenversammlungen stattgefunden; es sind zur Beschaffung des nöthigen Grund und Bodens die Mittel zum Grunderwerb bewilligt; die Kreis- Bezirks- und Provinzial-Verwaltungsbehörden haben das Project lebhaft befürwortet, aber trotz alledem ist es nicht recht von der Stelle gekommen. Im Jahre 1891 erlaubte ich mir, in der Sitzung vom 28. Februar dieses Project dem Hohen Hause und dem Herrn Minister dringend anzuempfehlen. Einige Monate später fand eine Bereisung der betreffenden Gegend statt durch den Königlichen Oberpräsidenten der Provinz Hannover und den Präsidenten der Königlichen Eisenbahndirection Magdeburg. Die Bevölkerung der Kreise Isenhagen und Uelzen schöpfte wieder neue Hoffnung,daß die Verwirklichung des Projectes nunmehr näher gerückt worden sei. Seitdem ist aber wiederum Stillstand eingetreten, und man hat nichts weiter von der Ausführung des Projectes gehört.

Gegenwärtig ist nun die Stimmung der betheiligten Kreise eine derartige, daß die immer wieder aufgetauchten, stets wieder in nichts zerronnenen Hoffnungen auf Ausführung des Bahnprojectes in eine lebhafte Mißstimmung umgeschlagen sind. Eine höchst bedauerliche, aber wohl verständliche Verbitterung hat die Bevölkerung des Kreises Isenhagen begriffen. Denn der Bau dieser Bahnlinie ist für einen großen Theil dieses Kreises eine Lebensfrage. Die dortige Landwirthschaft, die mit allen Kräften um ihre Erhaltung ringt und nach jeder Richtung hin die Fortschritte der Neuzeit sich zu eigen zu machen sucht, kann eben nicht prosperiren, wenn sie nicht eine Bahnverbindung in größerer Nähe hat. Auch für den südlichen Theil des Kreises Uelzen hat die Bahnlinie eine außerordentliche Bedeutung, obwohl, wie ich anerkennen will, diese Gegend immerhin wegen der größeren Nähe der bestehenden Bahnlinie sich in günstigerer Lage als Isenhagen befindet. Endlich hat auch die Stadt Uelzen das lebhafteste Interesse daran, ihre altgewohnten Handels- und Verkehrsbeziehungen zu dem Kreise Isenhagen durch den Bahnbau zu befestigen und zu stärken.

Was die Rentabilität der Bahn betrifft, so haben wiederholte Ermittlungen stattgefunden, und es sind die zuverlässigsten Nachweise geliefert worden, daß die Rentabilität keinem Zweifel unterliegen würde. Die Bahnlinie würde durch den fruchtbarsten und dichtbevölkertsten Theil des Kreises Isenhagen gehen, überhaupt durch eine Gegend, welche sich durch Stärkefabriken, Molkereien, Ziegeleien, Brennereien, Brauereien und sonstige landwirthschaftliche Nebengewerbe auszeichnet. Diese Gegend hat einen sehr erheblichen Export, hauptsächlich an Eßkartoffeln und Fettvieh, besonders an Schweinen und ferner einen sehr erheblichen Import von Mergel und Kunstdünger, der, wie man an dem Zustand der Kreisstraßen bemerken kann, von Jahr zu Jahr größere Dimensionen annimmt. Kurz und gut, es kann an der Rentabilität dieser Bahnlinie im Ernst wohl nicht gezweifelt werden.

Hinzu kommt, daß die Terrainschwierigkeiten außerordentlich gering sind, also auch nach dieser Richtung Bedenken kaum obwalten können.

Aber selbst wenn die Rentabilität keine glänzende wäre, so würde doch die Bahn zu denjenigen gehören, welche so ein dringendes Bedürfnis der landwirthschaftlichen Bevölkerung sind, daß der Staat, wenn irgend seine Mittel es gestatten, hier baldigst helfend eintreten müßte. Man weist die Landwirthe häufig auf die Selbsthülfe hin, und in mancher Beziehung wohl mit Recht. Aber in gewissen Punkten muß die Selbsthülfe durch die Staatshülfe ergänzt werden. Man darf auch nicht auf das Kleinbahngesetz hinweisen als auf ein Gesetz, welches in solchen Fällen geeignet ist, Abhülfe zu schaffen. Der Kleinbahnbau wird gewiß eine große Bedeutung erlangen in wohlhabenderen Landestheilen; er wird insbesondere Bedeutung erlangen, wenn entweder der Staat sich zu einer finanziellen Beihülfe entschließen sollte, oder wenn die Provinzen in erheblichem Maße sich die finanzielle Förderung des Kleinbahnwesens angelegen sein ließen. In allen denjenigen Provinzen aber, die es bisher abgelehnt haben, in erheblichem Umfange die Förderung des Kleinbahnwesens zu unternehmen, kann zur Zeit von einer Entwicklung der Kleinbahnen wohl noch nicht die Rede sein. Zu diesen Provinzen gehört auch Hannover, und es wird daher meines Erachtens der Kleinbahnbau dort in nächster Zeit noch keine Bedeutung erlangen. Da hiernach die Selbsthülfe der Bevölkerung in Bezug auf die Schaffung der von mir befürworteten Eisenbahnverbindung nicht ausreicht, so, wiederhole ich, muß meines Erachtens die Staatshülfe eintreten. Das ist besonders in wenigen wohlhabenden Landesteilen, die man doch ebenfalls wirthschaftlich zu heben bestrebt sein muß, ein nobile officium des Staates, dessen Erfüllung er sich nicht entziehen darf, wenn er sich die Sympathien der Bevölkerung erwerben und erhalten will

Ferner führte Herr v. Tzschoppe in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 12. Februar 1894 Folgendes aus:

“ Ich kann nicht umhin, meinem lebhaftesten Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daß eines der ältesten Bahnprojecte wieder keine Berücksichtigung gefunden hat; ich meine die Bahn von Uelzen über Bodenteich nach Wittingen, mit der Fortsetzung einerseits nach Brome und Oebisfelde, andererseits nach Gifhorn und Braunschweig.

Ich werde Ihnen heute nicht zur Begründung dieses Bahnprojects das wiederholen, was ich Ihnen schon im vorigen Jahr und vor drei Jahren dargelegt habe; es würde bei der vorgerückten Stunde heute nicht angezeigt sein. Indessen muß ich doch nochmals darauf hinweisen, daß dieses Project in der That schon aus den sechziger Jahren datirt, daß es in den siebenziger Jahren sicher schien, als sollte es realisirt werden, daß es Anfang der achtziger Jahre wieder aufgenommen worden ist, und daß trotzdem die Verwirklichung desselben nicht weitergekommen ist. Einerseits verlangen die Interessen des Handelsverkehrs, insbesondere die Verkehrsinteressen der Stadt Uelzen, eine derartige Bahnlinie, andererseits gehört der Kreis Isenhagen zu den wenigen Kreisen, die eine Eisenbahnlinie überhaupt noch nicht besitzen; und ich glaube nicht, daß in der preußischen Monarchie noch eine erhebliche Zahl solcher Kreise existiren. Ich möchte aber das Hauptgewicht drauf legen, daß in der betreffenden Gegend eine rührige und täthige Landwirthschaft ist, die Alles thut, was sich durch Selbsthülfe erreichen läßt, um ihre Interessen zu heben. Es sind dort im genossenschaftlichen Wege Molkereien und Stärkefabriken angelegt worden, und es wird von den Landwirthen alles Mögliche gethan, um die Landwirthschaft zu fördern; aber man ist jetzt an den Grenzen der Selbsthülfe angelangt, und wenn die Landwirthschaft keine Unterstützung von Seiten des Staates erfährt dadurch, daß die betreffende Gegend durch eine Bahnlinie erschlossen wird, so ist es beim besten Willen nicht möglich, daß die Landwirthschaft der an sie gestellten Forderung genügen kann, möglichst viel und dabei möglichst billig zu produciren.

Aus diesem Grunde möchte ich bitten, im Interesse der Landwirthschaft dieser Bahnlinie endlich näher zu treten. Es scheint hierbei ein Umstand erschwerend ins Gewicht zu fallen, der vermuthlich auch der Hauptgrund war, weshalb diese Bahnlinie nicht schon vor 30 Jahren gebaut worden ist, das ist der Uebergang dieser Linie von einer Provinz in die andere. So wie bei den damalige Verhandlungen zwischen der hannoverschen und der preußischen Staatsregierung eine Einigung nicht erzielt werden konnte, so scheint auch jetzt der Bau gehemmt zu werden dadurch, daß die Interessen zweier verschiedener Provinzialbehörden in Betracht kommen, die vielleicht ihre Gutachten in verschiedenem Sinne abgegeben haben. Meines Erachtens aber dürfte es sich doch empfehlen, daß der Herr Minister nur Gewicht legte auf das Gutachten derjenigen Provinzialbehörde, in deren Bezirk etwa neun Zehntel der projectirten Bahnstrecke liegen würde, nämlich auf die Gutachten der hannoverschen Provinzialbehörden. Es ist mir bekannt – und ich habe das schon im vorigen Jahre hier an dieser Stelle zur Sprache gebracht – daß der Herr Oberpräsident der Provinz Hannover und die betheiligten hannoverschen Behörden sich im höchsten Grade günstig für diese Bahnlinie ausgesprochen haben.

Ich möchte daher an den Herrn Minister die Bitte richten, seinerseits das Mögliche zu thun, um einer weiteren Verzögerung des Bahnbaues ein Ende zu machen und dadurch endlich Beruhigung in die Gemüther der dortigen Bevölkerung zu bringen.“

Unser Kreistag in Isenhagen hat sich bereit erklärt, die Grunderwerbskosten bis zum Betrage von 2 000 000 MK. zu übernehmen, der Kreis Uelzen will ebenfalls den Grund und Boden unentgeltlich zur Verfügung stellen, schließlich hat sich die Stadt Uelzen zu erheblichen Opfern verpflichtet.

Dies Alles ist dem Herrn Eisenbahnminister wiederholt in schriftlichen und mündlichen Petitionen unterbreitet worden; wie Sie wissen, war im Sommer 1893 eine Deputation in Berlin und trug dem Herrn Eisenbahnminister unsere Wünsche bezüglich der Bahn vor.

Wenn der Herr Eisenbahnminister bislang gezögert hat, eine Forderung für die Erbauung unserer Bahn in den Etat einzustellen, so dürfen wir wohl annehmen, daß die Regierung nicht die Absicht hat, in absehbarer Zeit zu bauen, und müssen wir unsere Hoffnung nach dieser Richtung hin aufgeben.

Bei solcher Sachlage sollten wir, meiner Ansicht nach, zur Selbsthülfe schreiten, und wenn wir überlegen, was zu machen, so kommen wir auf die Kleinbahn.

Wir haben zu prüfen: was würde uns eine Kleinbahn bieten? Würde sie für unsere Verhältnisse passen, würde sie vielleicht uns unseren Schmerz über die nicht zu erreichende Vollbahn vergessen machen, würde sie uns trösten können?

Meiner Ansicht nach würde die Kleinbahn allen Ansprüchen, die wir an eine Bahn zu stellen haben, genügen, und würden uns bei den vorliegenden sehr günstigen Verhältnissen alle Vortheile, welche die Kleinbahn der Vollbahn gegenüber bietet, wohl zu gute kommen.

In erster Linie der, daß eine Schmalspurbahn, um die es sich bei uns nur handeln kann, alle Ortschaften an die Richtungslinie, welche die Bahn geführt wird, berühren kann; bei der 1 Meter-Spur ist ein Krümmungshalbmesser von 80 Meter stets anwendbar, während er bei der Vollbahn etwa 300 Meter lang sein muß.

Bei den Spurweiten von 60 Zentimeter und 75 Zentimeter kann der Krümmungshalbmesser natürlich noch kürzer sein.

Was nützt uns für den Lokalverkehr eine Bahn, die auf eine halbe Stunde Weges an uns vorübergeht und deren Bahnhof mehrere Kilometer von uns entfernt liegt? Bei Vollbahnen wird das aber im Allgemeinen der Fall sein.

Welcher Tülauer würde z.B. wohl die Bahn benutzen, um nach Brome zu kommen, wo er, nehmen wir an, den Arzt sprechen, Einkäufe machen, den Markt besuchen, zur Kirche, zum Confirmandenunterricht gehen will u.s.w., wenn der nächste Bahnhof für Tülau in der Nähe von Zicherie oder vielleicht zwischen Voitze und Wiswedel, d.h. mehrere Kilometer von Tülau entfernt, liegen würde?

Meistens wird er es vorziehen, direct zu gehen oder zu Hause zu bleiben. Ist dagegen in Tülau oder in unmittelbarer Nähe ein Bahnhof, so wird gewiß jeder die Bahn benutzen, denn er kann seine Besorgungen machen, ohne viel Zeit dabei zu verlieren und kann seine Fracht billig nach Brome befördern.

Dies Gefühl wird zum Vortheile der an der Bahn wohnenden Gewerbetreibenden viele, die sonst zu Hause geblieben wären, zum Reisen und Geldausgeben veranlassen, das Geld wird mobiler und das ist ja das, was der Geschäftsmann wünschen muß.

Wohl zu bedenken ist dabei auch, daß jeder Ort, der keinen Bahnhof in unmittelbarer Nähe bekommt, und das wird, wie gesagt, bei Vollbahnen meistens so sein, noch viel Geld für Zufuhrwege ausgeben muß.

Die Nachtheile der Kleinbahn sollen uns wenig kränken, die meisten von uns legen gar keinen besonderen Werth darauf, mit Schnellzugsgeschwindigkeit und Harmonikazügen nach Oebisfelde oder Uelzen zu fahren. Vernünftig gebaute Schmalspurbahnen vermögen in der Stunde 20 – 25 Kilometer zurückzulegen, wir würden also damit in 21/2 Stunden in Uelzen, in 1 Stunde etwa nach Oebisfelde kommen können, was im Allgemeinen genügt.

Meistens werden wir aber in der angenehmen Lage sein, unsere Einkäufe in Brome, Wittingen u.s.w. machen zu können; in Folge der Bahn würden diese Orte in den Stand gesetzt werden, alle Artikel ebenso gut und billig zu verkaufen, wie sie z.B. in Hamburg und Magdeburg zu haben sind.

Ich betone daher von Neuem: Für den Lokalverkehr, d.h. – den Verkehr zwischen Stadt und Land, von Dorf zu Dorf, gewissermaßen als Ersatz der Chausseen, als Omnibus und Frachtwagen auf Schienen, kann allein eine zweckmäßig angelegte Kleinbahn von erheblichem Nutzen sein, und nur die Bahn ist richtig angelegt, die sich an jedes einigermaßen zu erreichende Dorf, ja Gehöft heranschlängelt, unmittelbar bei ihm hält und den Leuten so Gelegenheit giebt, sie zu besteigen und als Transportmittel für Fracht zu benutzen; dadurch haben die Anwohner der Bahn großen Vortheil, während diese selbst verdient, rentirt, ja Ueberschüsse abwirft, die wiederum dem Unternehmer zu Gute kommen.

Im Gegensatz zur Bahn bringt die Chaussee niemals directen Nutzen, letztere erfordert im Gegentheil stets große Unterhaltskosten, welche der Hauptsache nach von den Grundeigenthümern aufgebracht werden müssen, einerlei, ob sie unmittelbar an der Chaussee wohnen oder nicht.

Nach dem Wegegesetz vom 24. Mai 1894 haben bekanntlich die Gemeinden, welche Chausseen (Landstraßen) innerhalb ihrer Bezirke haben, nur 4 Prozent mehr zur Unterhaltung der Landstraßen beizutragen, als die nicht an der Chaussee gelegenen Ortschaften. Letztere sind also recht schlecht gestellt, da das Beitragsverhältnis von 100% für einen Ort ohne Chaussee zu 104% für einen Ort mit Chaussee ein außerordentlich ungünstiges ist. Solche Härten sind bei einer Bahn nicht möglich; wer dieselbe nutzen will, muß eben für die gewünschte Leistung bezahlen.

Ich komme nun zu den Kosten, welche der Bau der schmalspurigen Kleinbahn verursachen würde. Bei näherer Prüfung des Kostenpunktes muß uns klar werden, daß, ganz abgesehen von allen anderen Vorzügen der Schmalspur der Normalspur gegenüber, erstere ihrer geringen Baukosten wegen allein für uns in Frage kommen kann, falls wir die Absicht haben sollten, uns selbst eine Kleinbahn zu bauen.

Wie ich bereits andeutete und wie Sie überall lesen können, stellen sich die Kosten der verschiedenen Bahnen je nach der Art ganz verschieden hoch. Das „Land- und forstwirthschaftliche Vereinsblatt für das Fürstentum Lüneburg“, das Sie ja als Vereinsmitglieder erhalten, brachte in seiner Nr. 1 vom 4. Januar 1894 einen sehr interessanten Artikel des Ingenieurs Bokelberg-Hannover über Kleinbahnen; danach kostet eine Vollbahn pro Kilometer 250 000 MK., eine Nebenbahn pro Kilometer 180 – 100 000 Mk., eine Kleinbahn mit Schmalspur pro Kilometer 30 – 20 000 Mk.

Bei unseren Verhältnissen würden wir ohne die Grunderwerbskosten, – die wir als vernünftige Menschen selbstverständlich frei zur Verfügung stellen, denn jeder Ort wird die Vortheile eines Bahnhofes zu schätzen wissen – sehr wohl bei praktischer, verständiger Anlage eine betriebsfähige Schmalspurbahn, d.h. Bahnkörper mit Oberbau, Lokomotiven und Wagen für 24 000 Mk. pro Kilometer herstellen können.


Die Kosten setzen sich zusammen aus folgenden Posten pro Kilometer:

1) Vorarbeiten100 Mk.
2)
Gelände-Erwerb (setze ich nicht an); ich bemerke, daß bei einer Breite des
Bahnkörpers von 7,5 Meter pro Kilometer 75 Ar oder 3 Morgen erforderlich sind.
3) Bodenbewegung2000 Mk.
4) Gleisbeschaffung6000 Mk.
5) Schwellenbeschaffung2000 Mk.
6) Kiesbeschaffung1000 Mk.
7) Arbeitslohn beim Verlegen des Oberbaues u.s.w.1000 Mk.
8) Brücken und Durchlässe sowie Bahn-Ueber- und Unterführungen800 Mk.
9) Anlage von Wasserstationen, Maschinenschuppen, sowie sonstige Bahnhofs- und Telefoniereinrichtungen u.s.w.500 Mk.
10) Gehälter während der Bauzeit400 Mk.
Summa13.800 Mk.

Für das rollende Material blieben noch 10 200 Mk. pro Kilometer, oder bei einer Bahnlänge von 75 Kilometer = 765 000 Mk.

Bei 6 Zügen täglich – 3 hin, 3 zurück – würden 8 Lokomotiven, wovon 2 in Reserve, ausreichend sein. Die Anzahl der erforderlichen Personen- sowie offenen und bedeckten Güterwagen richtet sich ausschließlich nach der Bahnlänge, sowie nach dem zu erwartenden Personen- und Güterverkehr. 20 Personenwagen und 80 Güterwagen würden dem Bedürfnis gewiß genügen. Die Kosten für die Lokomotiven und Wagen richten sich natürlich sehr nach der Ausstattung; immerhin würde die von mir ausgeworfene Summe selbst bei hohen Anschaffungskosten nicht ganz in Anspruch genommen werden und ein größerer Betrag für unvorhergesehene Fälle zur Verfügung bleiben.

Nebenbei bemerkt kostet eine Kleinbahnlokomotive 10 000 bis 25 000 Mk., ein Personenwagen 3 – 5 000 Mk., ein Güterwagen 1 500 – 2 500 Mk.

Die Bahn Uelzen – Oebisfelde würde also z.B. 1 800 000 Mk. kosten, davon 3,5 % Zinsen einschließlich Amortisationsquote = 63 000 Mk.

Nehmen wir an, wir können wirklich den Kilometer Normalspur für 48 000 MK. bauen, so würden doppelt so viel Zinsen erforderlich sein, also 126 000 Mk., wobei das Unternehmen nicht mehr rentabel sein würde; denn die Einnahmen würden eher kleiner als größer sein, weil die normalspurige Bahn nicht so viele Orte berühren kann und in Folge weniger Fracht- und Personenverkehr hat.

Wie Sie wissen werden, meine Herren, hat das Landesdirectorium unserer Provinz gleich nach Erlaß des sog. Kleinbahngesetzes eingehende Ermittlungen darüber angestellt, wie der Kleinbahnbau in der Provinz zu fördern sei, und hat der Provinziallandtag beschlossen, den Bauunternehmern 2/3 der gesammten Baukosten zu 3% und 1/2 % Amortisationsquote, sowie erforderlichen Falles gegen ausreichende Sicherheit auch das fehlende 1/3 des Bau- und Betriebs-Capitals unkündbar als Amortisationsdarlehen zu demjenigen Zinsfuße herzuleihen, welchen der Provinzialverband für eine Eisenbahnlinie zahlt. Auch trägt die Provinz die halben Kosten für die Vorarbeiten.

Wir sehen, die Provinzialverwaltung ist in hohem Maße bestrebt, den Bau von Kleinbahnen anzuregen und zu unterstützen, keine andere Provinz hat so große Erleichterungen vorgesehen. Die Provinz will das Geld geben, und das ist ja die Hauptsache bei der Geschichte.

Eine Bahn, die für unsere Verhältnisse als Vorbild dienen kann, ist die Kreiseisenbahn Flensburg – Kappeln in der Provinz Schleswig-Holstein. Ich gestatte mir Ihnen dieselbe näher zu beschreiben, indem ich mich dabei auf die Ausführungen des Herrn Eisenbahn-Betriebsdirectors Kuhrt – Flensburg beziehe.

In Holstein baute man Ende der siebenziger und Anfang der achtziger Jahre sehr fleißig Chausseen, da sich das Bedürfnis nach besseren Wegen sehr stark geltend machte und die Provinz den Bau sehr begünstigte, besonders dadurch, daß sie vorschriftsmäßig ausgebaute Straßen zu ferneren Unterhaltung übernahm.

Es entstand eine förmliche Bauwuth, kein Kreis wollte sich die Gelegenheit, gute Wege zu bekommen, entgehen lassen und so kam es, daß sich einige Kreise mit Millionen belasteten.

Einsichtsvolle Männer kamen bald zu der Ansicht, daß solche Opfer doch kaum im rechten Verhältnis zu den gehofften Vortheilen ständen, daß namentlich mit dem fortschreitenden Eisenbahnbau alsbald manche Chausseen ihre Bedeutung vollständig verlieren und das sogenannte „Pensionäre“ dennoch stets große Unterhaltungskosten von der Provinz fordern würden, daß ferner die kolossalen Summen, welche auf den Bau der Kunststraßen verwendet würden, a fonds perdu gezahlt seien, und daß fortgesetzten übertriebenen Ausbau die allerdings seitens der Provinz getragenen, aber doch schließlich durch die einzelnen Kreise und Gemeinden resp. deren Mitglieder aufzubringenden Unterhaltslasten, in Verbindung mit der Amortisation des Anlagekapitals, im Ganzen die Leistungsfähigkeit der Interessenten zu übersteigen drohe.

Im Kreise Flensburg war man mit dem Ausbau der Chausseen vorsichtiger gewesen, um so mehr, als man nach Erbauung der Bahn Kiel-Flensburg beobachtete, daß die etwa in derselben Richtung laufende Chaussee Flensburg-Kappeln zum großen Theil vom Verkehr entlastet wurde, d.h. die Bahn beförderte die meisten Frachtmengen, die früher auf der Chaussee bewegt wurden.

Als die Wünsche nach besseren Communicationswegen aus der Landschaft Angeln – dieselbe liegt zwischen Flensburg und Kappeln an der Ostküste Holsteins – immer dringender wurde, regte Herr Gensen – Ausacker den Plan an, anstelle der Chaussee eine Schmalspurbahn zu erbauen. Wie bei den meisten neuen Projecten, verhielt sich die Mehrzahl der Bewohner der betr. Gegend abwartend, während andere dem Project sogar ablehnend entgegentraten; sie wollten eine Chaussee als das Althergebrachte, Bekannte, haben, verschrien die in Vorschlag gebrachte Schmalspurbahn als einen Aufdringling, der weiter nichts nützen könnte, als Pferde scheu machen und Unglücksfälle erzeugen.

Nach vielen Kämpfen wurde die Bahn schließlich gebaut, sie bildet heute den Stolz der Gegend und was das Wichtigste ist, sie hat glänzende, alle Erwartungen übertreffende Betriebsresultate aufzuweisen.

Aus der Eingabe an den Kreisausschuß, in der die Erbauung der Bahn gefordert wurde, erwähne ich nur, daß die Bahn zu 23 500 Mk. pro Kilometer veranschlagt war, während eine an Stelle der Bahn tretende Chaussee 18 000 Mk. pro Kilometer gekostet haben würde.

Der Bau der 51,5 Kilometer langen Bahn wurde im Hebst 1884 begonnen und konnte die ganze Bahnstrecke erst am 1. Juli 1886 dem Verkehr übergeben werden.

Man hatte zunächst die Absicht gehabt, die 1 Meter von einander entfernten Schienen auf die Wege zu legen, man hat sie aber schließlich der Hauptsache nach neben die Wege gelegt, weil die Wege in Holstein sehr schmal sind – viel schmäler als bei uns. Außerdem waren die Steigungsverhältnisse ungünstig; um nun möglichst wenig Aecker und Wiesen zu durchschneiden, stellte man den Bahndamm neben den Wegen her.

Es liegen 37,5 Kilometer neben den Wegen und sonst vorhandenen Grenzen.

Bei der Wahl der Linie wurde ferner ganz besonders darauf Bedacht genommen, die Bahn möglichst nahe an die Ortschaften und verkehrsreichen Punkte heranzuziehen, ohne Rücksicht darauf, daß hierdurch die Gesammtlänge derselben vermehrt werde.

Während man z.B. vom Dorfe Rundhof aus den Endpunkt der Bahn, die Stadt Kappeln, durch eine 9 Kilometer lange Luftlinie hätte erreichen können, wählte man die Linie über Gelting, die 16 Kilometer lang ist.

Die Bahnhöfe und Haltestellen wurden möglichst in den Ortschaften angelegt und dadurch dem Publikum die Gelegenheit geboten, die Bahn aus nächster Nähe benutzen zu können, welches neben der Bequemlichkeit für Reisende noch den großen Vortheil gewährt, daß die zum Transport auf der Eisenbahn bestimmten Güter nicht erst auf weiten wegen mittels Landfuhrwerk zur Bahnstation geschafft werden müssen.

Ferner wurde durch diese Wahl der Haltestellen erreicht, daß in den meisten Fällen die bestehenden Gasthöfe oder sonst geeignete Baulichkeiten zugleich als Bahnhofsgebäude benutzt und den resp. Besitzern die Verwaltung dieser Stationen als Nebenamt mit übertragen werden konnten, wodurch das Grundprincip, welches bei Anlage derartiger Lokalbahnen niemals aus dem Auge zu lassen ist, wenn auf Rentabilität gerechnet werden soll: „Billiger Bau und billiger Betrieb“, auf das Beste gewahrt wurde.

Die Bahn beginnt auf dem Bahnhofe der Staatsbahn in Flensburg, woselbst die Abfertigung des Personen- und Gepäckverkehrs durch Beamte dieser Bahn stattfindet.

Das Gelände, welches die Bahn durchschneidet, ist sehr wechselvoll, es steigt und fällt fortwährend, so daß die Bahn sehr oft Steigungen von 1 : 40 – d.h. auf 40 Meter = 50 Schritt steigt sie 1 Meter – überwinden muß. 17,6 Kilometer liegen in Steigung von 1 : 40, 15,8 Kilometer in schwächeren Steigungen; also 2/3 der ganzen Bahn liegen in Steigung oder Gegensteigung.

In Folge des hügeligen Geländes und um möglichst viele Orte zu berühren, muß die Bahn dann auch viele Curven machen, wobei der kleinste Radius 70 Meter beträgt.

Wir würden in solcher Gegend leicht schwindelig werden.

Bei uns sind die Verhältnisse viel einfacher, und würde daher der Bau nicht so schwierig und kostspielig sein.

Ueber die specielle Bauausführung der Kreisbahn Flensburg – Kappeln, wie:

  • Grunderwerb,
  • Erd- und Böschungsarbeiten,
  • Einfriedungen,
  • Wegeübergänge,
  • Bahnüberführungen,
  • Wegeüberführungen,
  • Brücken und Durchlässe,
  • Oberbau,
  • Signale,
  • Sicherung der Gleiskreuzungen u.s.w.

gehe ich hinweg, da das ja für uns Laien wenig interessant ist, die Herren Techniker lassen sich da nicht gerne hineinreden.

Hochinteressant ist dagegen, was Herr Director Kuhrt über Bahnhöfe und Haltestellen anführt. Er sagt wörtlich:

„Bei dem Bau der Kreis-Eisenbahn wurde stets darauf Bedacht genommen, die Anlage so billig als möglich herzustellen, und die Anlagekosten herabzumindern, wo sich hierzu eine passende Gelegenheit bot, da offenbar jede zweckmäßige Herabminderung des Baukapitals die Aussicht auf eine Rentabilität des Unternehmens erhöhte. Diese Herabminderung der Baukosten glaubte man am ehesten dadurch zu fördern, wenn das Interesse der Gemeinden und Betheiligten nach jeder Richtung hin für das Unternehmen gewonnen und die Bevölkerung dahin geführt werde, daß sie das begonnene Werk gewissermaßen als ihr eigenes betrachte, welches nur zu ihrem Nutzen und zu ihrer Bequemlichkeit erbaut werde.

Wenn schon bei dem Titel Grunderwerb hervorgehoben ist, daß das Interesse der Betheiligten bei dem Unternehmen sehr rege war, und dieses durch billige Abtretung des Grund und Bodens bethätigt wurde, so wurde dieses Interesse noch viel mehr wachgerufen und gefördert, als die Anlage der Haltestellen ganz den Gemeinden und Betheiligten überlassen wurde. Hier hieß es:“ welche Gemeinde eine Haltestelle wünscht, die baue sich eine,“ und bereitwilligst wurde darauf eingegangen; man hatte allerdings aus den an der Kiel – Flensburger Bahn gesammelten Erfahrungen gelernt.

An dieser die Landschaft Angeln durchschneidenden Eisenbahn waren nämlich die Besitzer der Gasthöfe der Stationsorte aus nahe liegenden Gründen alsbald dazu gekommen, ihre Geschäftsgebäude möglichst an die Bahn heranzurücken, so daß in unmittelbarer Nähe derselben gleichzeitig mit Eröffnung der Bahn sich ansehnliche Hotels erhoben.

Aus Concurrenzrücksichten war jedoch der Wirth gewissermaßen gezwungen, auch die Bahnhofsrestauration im Empfangsgebäude zu pachten, und somit einen doppelten Betrieb für sein Geschäft einzurichten. Die Nachtheile, welche einen so getrennten Betrieb begleiten, sind leicht erkennbar und bestehen neben der Pacht namentlich in den ungenügend controlirbaren und nicht voll auszunutzenden doppelten Dienstpersonal, in den doppelten Ausgaben für Licht und Feuerung und in vielen kleinen, mit solchem getrennten Betriebe verbundenen Unbequemlichkeiten. Nichts lag daher näher, als daß man an der Spurbahn beide, Bahnhofsgebäude und Hotel, in einem Bau zu vereinigen suchte und dort, wo nicht bereits ein geeignetes und an der Bahnlinie gelegenes Gasthaus, welches als Empfangsgebäude ohne Weiteres dienen konnte, vorhanden war, den betreffenden Wirthen oder der Gemeinde den Bau des neuen Bahnhofgebäudes überließ. Es hatten dadurch beide Interessen gewonnen. Die Bahn ersparte die Baukosten für 22 Bahnhofsgebäude, die doch wohl bei einfachster Anlage einige hunderttausend Mark gekostet hätten, wenn nach den vorhandenen Mitteln überall so viele Gebäude hätten erbaut werden können, und die Gastwirthe ersparten alle die oben angeführten Ausgaben und Unbequemlichkeiten; da außerdem den Letzteren in Aussicht stand, daß ihnen beim Betriebe der Bahn die Verwaltung des Stationsdienstes als Nebenamt übertragen werde, wofür eine billige Entschädigung nach Verhältnis der zu leistenden Arbeit gezahlt werden sollte, so war auch dieser Vortheil nicht zu unterschätzen.“

Aus der Betriebs – Einrichtung der mehrgenannten Bahn ist die Art der Transportverwaltung am interessantesten.

Auf der Anfangsstation Flensburg und der Endstation Kappeln stehen beim Billetamt und der Güterexpedition Beamte vor, auf den 22 Zwischenstationen aber wird der Bahnhofsdienst als Nebenamt durch die Besitzer der Gasthöfe, welche letztere als Bahnhofsgebäude dienen, versehen, ganz in derselben Weise, wie die Kaiserliche Post die Posthülfsstellen und Postagenturen auf dem platten Lande als Nebenamt durch zuverlässige Personen, welche ihre gesicherte Existenz aus einem anderen Betriebe, Geschäft oder Handwerk, nachzuweisen haben, verwalten läßt.

Die Kreis-Eisenbahn wurde von vornherein auf dieses Verwaltungssystem hin angelegt, denn die Prüfung der näheren Verhältnisse ließ alsbald erkennen, daß nur bei Anwendung dieses Systems den berechtigten Wünschen der Gemeinden des Bahngebietes Rechnung getragen werden konnte, die namentlich darauf hinausgingen, daß jede größere Gemeinde einen eigenen Bahnhof verlangte, und dadurch den größtmöglichsten Nutzen aus der Anlage zu ziehen.

Es braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden, daß eine Bahn, falls sie die Rentabilitätsrücksichten des Unternehmens nicht ganz aus den Augen verlieren will, nicht im Stande ist, auf je 2 – 3 Kilometern Entfernung eigene Bahnhöfe zu errichten und mit dem ganzen Apparat einer Bahnhofsverwaltung auszurüsten. Es würden bei der Kreis-Eisenbahn wohl sämmtliche Einnahmen durch diese Verwaltung verschlungen sein.

Bei dem gewählten System, welches eine einfache und billige Verwaltung gestattet, kam es auf ein paar Stationen mehr oder weniger nicht so sehr an.

Der Stationsbeamte im Nebenamt trägt als Dienstabzeichen eine rothe Mütze.

Für seine Mühewaltung enthält derselbe eine Entschädigung, welche 5% der Einnahme aus dem Güterverkehr seiner Station betragen soll, und welche Entschädigung fixiert wird durch einen Jahresbetrag von mindestens 30 Mk. und höchstens 600 Mk.

Diese Entschädigung mag im ersten Augenblick gering erscheinen, mit Rücksicht auf die Dichtigkeit der Stationen ergiebt sich hieraus jedoch immerhin ein nennenswerther Betrag, der eine wesentliche Steigerung nicht vertragen kann, wenn das Unternehmen nicht überlastet werden soll, und da die Haupteinnahme des Beamten aus der Frequenz der Gastwirthschaft durch das reisende Publikum resultirt, so war andererseits auch nicht erforderlich, eine höhere Entschädigung für die verhältnismäßig geringe Mühewaltung der Bahnagenturen zu bezahlen.

Das gewählte Verwaltungssystem hat sich bisher auf das Beste bewährt: die Beamten im Nebenamt besorgen mit seltenem Eifer und großer Pflichttreue ihren Dienst und sind während der ganzen Betriebszeit Mißhelligkeiten nirgends vorgekommen, welches daraus sehr leicht erklärlich, daß sich die Interessen der bei dem Unternehmen Betheiligten unmittelbar decken.

Um sich seine Kundschaft zu erhalten ist der Gastwirth angewiesen, das Publikum nach jeder Richtung hin auf das Zuvorkommendste zu bedienen, wodurch dann auch wiederum die Interessen der Bahnverwaltung auf das Beste gewahrt werden, und man sich besser Beamte als diese gar nicht wünschen kann.

Die Herren Aerzte und Apotheker werden von folgenden Sätzen der Kuhrtschen Schrift vielleicht Notiz nehmen:

„Außer dem ziffernmäßig nachzuweisenden Gewinn giebt es eine große Anzahl Bequemlichkeit und Vortheile, welche die Bahn bietet und welche sich mit nackten Zahlen nicht leicht berechnen lassen.

Da sind es z.B. die Aerzte, die von Glücksburg und Gelting aus einen großen Theil der Landpraxis mit der Bahn bewerkstelligen; auch hier wird Zeit und Geld gespart. Die Apotheker in Kappeln und Quern senden ihre Medikamente mit der Bahn in den Bahndistrict, wofür monatlich ein Fixum als Fracht bezahlt wird, und der Medicinkasten fehlt in keinem Zuge. Welche Bequemlichkeit für die Betheiligten und welche Kosten für Reisen werden da gespart!“

Sie werden, meine Herren, aus dem, was ich Ihnen hier vorgeführt habe, entnommen haben, daß die Erbauung einer Kleinbahn auch in unserer Gegend durchaus nicht in das Gebiet der Unmöglichkeiten gehört, für eine Bahn Uelzen – Wittingen – Brome- Oebisfelde liegen die Verhältnisse sogar recht günstig.

Unsere Kirchen, Marktorte, Stärkefabriken, Molkereien, Ziegeleien, Sägewerke u.s.w. liegen an der Linie; Aerzte, Apotheker, Handwerker, Kaufleute wohnen in den Ortschaften, die berührt werden müssen und können; Uelzen und Oebisfelde sind Hauptknotenpunkte für die Eisenbahnen nach Nord und Süd, Ost und West. Dazu kommt, daß Uelzen und Lüneburg unerschöpfliche Mergel – und Kalklager haben, während bei Oebisfelde bei Velpke und Danndorf große Steinbrüche sind, die uns ein vorzügliches Baumaterial für Häuser – und Straßenbauten liefern. Wie wichtig es für uns ist, wegen einer billigen Kalk – und Mergelzufuhr mit Uelzen und wegen der Steinbrüche bei Velpke und Danndorf mit Oebisfelde durch einen directen Schienenstrang verbunden zu werden, brauche ich nicht weiter auszuführen, das wissen Sie selbst.

Ueber Oebisfelde erhalten wir ferner unseren Kalk, was sehr wohl zu bedenken ist.

Erwähnung muß ich gleich noch zweier Artikel thun, die wir produciren und die uns unsere Haupteinnahmen schaffen: dies sind Kartoffeln und Schweine. Meiner Ueberzeugung nach würde sich eine Schmalspurbahn, abgesehen von allen anderen Frachten, auch indirect schon allein dadurch verzinsen, daß die Kartoffeln und Schweine leichter und zu höheren Preisen abzusetzen wären, die Erfahrung lehrt, daß der Zentner Kartoffeln, abgesehen von der Fracht zum Bahnhof, die der Producent zulegen muß, an der Bahn stets 15 – 20 Pfg. mehr kostet als 15 Kilometer von der Bahn entfernt. Ebenso pflegen die Schweine in den an der Bahn gelegenen Ortschaften 2 – 4 Mk. pro Zentner theurer zu sein als im Lande.

Dabei kann man noch von Glück sagen, wenn man die Waare überhaupt los wird.

Die Händler kaufen stets zunächst an der Bahn und erst, wenn die Producenten hier ausverkauft haben, gehen sie in die von der Bahn entfernter liegenden Orte.

An der Bahn kauft der Händler besonders darum lieber, weil er weiß, die Producenten können jederzeit liefern; wohnt man 20 Kilometer von der Bahn ab, so ist man oft bei schlechten Wegen, mißlicher Witterung, kranken Leuten und Pferden u.s.w. mit dem besten Willen nicht in der Lage, prompte Lieferung zu übernehmen.

Zeigt uns doch besonders dieser Winter wieder, wie uns eine Bahnverbindung fehlt; die Waaren lagern in Cunrau und sind selbst für hohe Fracht nicht an den Bestimmungsort zu schaffen.

Ein Mann, an dessen Tüchtigkeit als Landwirth gewiß niemand zweifelt, Herr Dr. Schultz – Lupitz, hat schon vor längeren Jahren im Abgeordnetenhause erklärt, sein Gut Lupitz, das 10 000 Morgen groß ist, habe die Folge der Bahn Salzwedel – Oebisfelde allein durch Frachtersparniß einen jährlichen Nutzen von 4 500 Mk. gehabt. Wie genannter Herr mir kürzlich sagte, ist der Nutzen noch heute derselbe, eher größer.

Dürfen wir daraus Schlüsse ziehen, so würde uns die Bahn Uelzen – Oebisfelde, die 24 Ortschaften mit 70 000 Morgen Ländereien unmittelbar berühren würde, durch Frachtersparniß einen Nutzen von 70 x 4500 Mk. = 315 000 Mk. bringen, dazu würden noch die Vortheile kommen, die durch Verbilligung der Personenbeförderung u.s.w. herbeigeführt werden.

Nutzen ist hier nicht zu verwechseln mit Frachten, der Nutzen flösse ganz in unsere Tasche, wir brauchten nicht etwa die Frachtkosten aus dem Nutzen zu bezahlen; wir haben den Nutzen, nachdem wir die Fracht bezahlen, die Bahn verdient also außerdem.

Nun können die Herren Pferdebesitzer und Frachtfuhrleute kommen und sagen: „Was wird denn aus uns, wenn die Bahn fertig ist, wie sollen wir fernerhin unseren Erwerb suchen?“

Darauf würde ich erwidern: „Warten Sie ab, meine Herren, auch Sie werden Vortheile von der Bahn haben. Sie müssen sie nur suchen. Trotz aller Maschinen, die man zur Fortschaffung der Lasten erfunden hat, ist das Pferd als Zugthier nicht entbehrlicher geworden; die Statistik lehrt, daß Deutschlands Pferdebestand sich von Jahr zu Jahr vergrößert.

Zunächst würde Ihnen und vielen anderen Leuten im Kreise durch die Erbauung einer Bahn für mehrere Jahre günstige Arbeitsgelegenheit geboten; ist die Bahn erst fertig, so würde Ihnen später durch An – und Abfuhr von der Haltestelle wegen des größeren Verkehrs Gelegenheit geboten, bequemere Fuhren zu leisten und doch gut zu verdienen.

Außerdem ist sehr wohl zu bedenken, daß in Folge der intensiveren Landwirthschaft und Industrie Handel und Verkehr erheblich zunehmen; ich zweifle keinen Augenblick daran, daß Sie neben einer Bahn mehr zu thun haben würden als jetzt.“

Diejenigen Geschäfte aber, die sich jetzt nur Fuhrwerk halten, weil sie ab und an Personen und Frachten zu befördern haben, das Fuhrwerk also nicht voll ausnutzen können, werden es gewiß nicht bedauern, die Fresser in Gestalt von Pferden, Wagen und Geschirr abschaffen können, sie werden dann bald an der Schwere ihres Geldbeutels merken, wie viel sie dadurch sparen, daß sie kein Gespann mehr halten.

Zwei Pferde, Knecht, Wagen, Geschirr u.s.w. kosten jährlich über 2 000 Mk., das kann sich jeder leicht ausrechnen.

Ich möchte mich hier noch über eine Bemerkung äußern, die mir öfter zu Ohren gekommen ist; man hat mir gesagt: „Wir dürfen uns keine Kleinbahn, Schmalspurbahn, Kreisbahn oder Lokalbahn, nennen Sie es wie Sie wollen, bauen, da der Staat über kurz oder lang in die Lage kommen wird, die Linie Uelzen – Oebisfelde, an deren Rentabilität für den Staat – mit Ausnahme des Herrn Eisenbahnministers vielleicht – ja niemand zweifelt, als Vollbahn auszubauen und dann sitzen wir mit unserer Kleinbahn da.“

Meine Herren, solche Gedanken bezeugen geringes Vertrauen zur Regierung; hat sie wirklich die Absicht, die fragliche Linie auszubauen, so wird sie mit derselben hervortreten, sobald wir um die Erlaubnis zu den Vorarbeiten für die Kleinbahn bitten.

Regierungsseitig will man ja den Bau von Kleinbahnen anregen und unterstützen, nicht verhindern.

Bei den niedrigen Preisen der sämmtlichen landwithschaftlichen Erzeugnisse müssen wir vor allen Dingen versuchen, die Productionskosten zu ermäßigen. Wissen Sie ein anderes Mittel, als die Besserung der Verkehrsverhältnisse?

Lesen Sie die Rede des neuen Herrn Landwirthschafts – Ministers Frhrn. von Hammerstein – Loxten im Abgeordnetenhause vom 29. Januar d. J., d.h. 1895. Sie werden darin finden, daß er die Erleichterung und Verbilligung des Verkehrs, und zwar in erster Linie durch Erbauung von Kleinbahnen, für ein hervorragendes Mittel, die Landwirthschaft aus der Krisis empor zu helfen, empfiehlt.

Zu Gunsten der Kleinbahn führe ich noch an, daß die Vollbahn die Concurrenz der Kleinbahn sehr zu fürchten hat, während umgekehrt eine richtig angelegte schmalspurige Kleinbahn unter der Concurrenz der Vollbahn gewiß nicht zu leiden haben würde. Den Herren Steuerzahler gebe ich zu bedenken, daß eine Kleinbahn den Wegeetat des Kreises voraussichtlich recht günstig beeinflussen würde. In Folge des sich steigernden Verkehrs werden die Ausgaben für die Chausseen von Jahr zu Jahr höher; die Unterhaltung der Chausseen im Kreise kostet je nach der Lage und Benutzung jährlich 300 – 1 000 Mk. pro Kilometer, dazu kommen noch die Zinsen des Baukapitals mit etwa 700 Mk. Und gerade die Strecken kosten am meisten, welche die Bahn berühren würde. Die 6 Kilometer Chaussee von Wittingen bis zur Kreisgrenze bei Langenbrügge erfordern gegen 2 000 Mk. Unterhaltskosten pro Kilometer und Jahr, mußten doch jetzt allein für die Umlegung von 850 Meter dieser Strecke 18 500 Mk. (achtzehntausend und fünfhundert Mk.) verausgabt werden; die Ausgabe von weiteren 30 000 Mk. für genannte Strecke steht in kurzer Zeit bevor. Die Strecke Wittingen – Radenbeck ist auch nicht billig. Eine Kleinbahn in der Richtung Uelzen – Wittingen – Radenbeck – Brome – Oebisfelde würde die Unterhaltungskosten der Straßen erheblich verringern.

Wie günstig die Wirkungen nach diesen Richtungen hin sein können, ergiebt sich aus der Thatsache, daß im Kreise Gronau durch den Bau einer Kleinbahn die Unterhaltskosten einer Landstraßenstrecke von 8 Kilometer von jährlich 20 000 Mk. auf 2 000 Mk. ermäßigt sind; kapitalisirt man diese ersparte 18 000 Mk., so erlangt man eine Summe, welche die Anlagekosten der genannten Kleinbahn weit übersteigt.

Ich glaube meinen Vortrag nicht schließen zu dürfen, ohne über die voraussichtliche Rentabilität der Linie, welche ich im Auge habe, einige kurze Bemerkungen zu machen.

Meiner Idee nach müßten wir die Bahn bis Uelzen und Oebisfelde durchführen, nicht etwa zwischen Wieren und Cunrau bauen.

Uelzen wird zweifellos großen Werth darauf legen, unmittelbar berührt zu werden, sodann liegen südlich Uelzen mehrere Ortschaften, die der Bahn Fracht – und Personenverkehr zuführten; wenn Sie sich erinnern wollen, betonte ich, daß die Kleinbahn überall hin zu leiten ist, wo Verkehr zu erwarten ist.

Bezüglich des Anschlusses in Oebisfelde ist es ebenso; es ist unbedingt erforderlich, möglichst viele Ortschaften unseres Kreises zu berühren.

Die Kosten des Baues durch den Drömling würden durch die erhöhte Frachteinnahme reichlich gedeckt werden; je weiter wir die Güter fahren, je mehr Frachtgebühren bekommen wir. Sind die Güter erst einmal verladen, so ist es gleich, ob sie bis Cunrau oder Oebisfelde gehen oder statt in Cunrau bereits in Oebisfelde auf unsere Bahn kommen. Diese würde 24 Ortschaften mit 8 000 Einwohnern berühren und auf Verkehr von etwa 30 Ortschaften mit 6 000 Einwohnern, die bis 5 Kilometer von der Bahn abliegen, bestimmt rechnen können. Das Bahngebiet würde demnach 18 000 Einwohner haben, welche bei der Rentabilitätsberechnung in Frage kämen.

Von Uelzen mit 8 000 Einwohnern und Oebisfelde mit 3 000 Einwohner würde natürlich auch auf Verkehr zu rechnen sein.

Ich lege meiner Berechnung die Verhältnisse von Tülau – Fahrenhorst zu Grunde, da sie mir bekannt sind und man dieselben wohl als mittlere, d.h. Durchschnittsverhältnisse, ansehen darf.

Nach meinen Ermittlungen hat das Dorf in den letzten drei Jahren durchschnittlich pro Jahr verfrachtet:

1) von der Bahn erhalten:

6 000 Zentner Kunstdünger,

2 000 Zentner Kraftfutter (Reismehl),

1 000 Zentner Kalk,

8 000 Zentner Bruchsteine = 40 Waggons,

4 000 Zentner Mauersteine

Summe: 21 000 Zentner;


2) zur Bahn gesandt:

2 000 Zentner Schweine = 1 200 Stück,

10 000 Zentner Kartoffeln

Summa: 12 000 Zentner,

also im Ganzen 33 000 Zentner. Kostet der Zentner pro Kilometer 3/4 Pfg. Fracht (die Fracht durch Landfuhrwerk beträgt das Doppelte) und rechnet man, daß sämmtliche Frachten der an der Bahn liegenden Orte etwa 37 Kilometer weit (die Hälfte von 75) zu transportiren sind, so muß man, um zu erfahren, welche Frachteinnahme 33 000 Zentner bringen, ausrechnen wie viel: 33 000 x 37 x 3/4 Pfg. ist = 9 157,05 Mk.

Liefern nun 600 Einwohner für 9 150 Mk. Fracht, so werden 14 000 Einwohner 231/3 mal so viel oder 213 500 Mk. aufbringen. Außer Berechnung ließ ich die nach den Molkereien gehende Milch (für Tülau bringt dies 1 800 Mk. pro Jahr) Butter, Geflügel, Eier, Flachs, Rindvieh (auch Kälber), Holz, Zuckerrüben, Torf, Kohlen, Eisen, Colonialwaaren, Mehl, Bier, Stroh, Kiepen u.s.w. Durch die Versendung dieser Artikel würden auch noch erhebliche Fracht – Einnahmen erzielt werden.

Nun kommen wir zum Personenfahrgeld. Wenn nur 1% der an der Bahn wohnenden Bevölkerung täglich die Bahn benutzt und jede Person 50 Pfg. Fahrgeld zahlt, so würden dadurch über 25 000 Mk. erzielt werden.

Meiner Ueberzeugung nach würden aber die Billeteinnahme sehr vielmehr bringen. Nehmen Sie die Märkte, Lieferungen bei den Kaufleuten und Handwerkern, Gänge zum Arzt, Apotheker, – ja zur Kirche würde uns die Bahn führen können, wenn die Züge günstig liegen und die Kirchzeit eventl. nach den Zügen gelegt wird – also giebt dies eine Menge Verkehr.

Den von mir vorausgerechneten Einnahmen in Höhe von 239 000 Mk. würden nun zunächst die Betriebs- und Unterhaltskosten, (Gehälter und Löhne, Kosten für Kohlen, Licht und Schmieröl, Beträge für Instandhaltung der Strecken, Reparaturen des Bahnkörpers und der Betriebsmittel) von etwa 145 000 Mk. gegenüberstehen, ferner Zinsen und Amortisationsquote 31/2% von 1 800 000 Mk. = 63 000 Mk., Erneuerungsfonds 20 000 Mk., Reservefonds 10 000 Mk., Summa 238 000 Mk.

Sie sehen, meine Herren, wir können nur durch sehr einfachen und praktischen Bau erreichen, daß die Kosten des Betriebes, sowie die Zinsen u.s.w. sicher herausgewirthschaftet werden. Besonders die Schwärmer für die theure Normalspur mögen sich überlegen, daß es uns ganz unmöglich sein würde, die Kosten dafür aufzubringen.

Meine Herren, der Zweck meines Vortrages war, die Eisenbahnfrage von Neuem und von einem neuen Gesichtspunkt aus anzuregen.

Sollte ich den einen oder den anderen der Herren zu der Ansicht belehrt haben, entweder bauen wir uns bald eine schmalspurige Kleinbahn oder wir setzen die Anstrengungen nach einer staatlichen Vollbahn so lange mit dem größten Eifer fort, bis die erste Lokomotive im Kreise pfeift, so würde ich für heute Abend zufrieden sein.

Seit Erlaß des Kleinbahngesetzes (28.7.92) haben sich weite Kreise der Bevölkerung von der Zweckmäßigkeit dieses nicht etwa neuen Verkehrmittels überzeugt.

Es geht mit ihm, wie mit jeder anderen praktischen Einrichtung; wo eine gemacht ist, folgt bald eine zweite und dritte, und so sehen wir, daß oft in einer Gegend die Vorarbeiten zu verschiedenen Kleinbahnlinien zugleich in Angriff genommen werden.

In der Provinz Hannover bestanden vor 1892 4 Kleinbahnen; eine ist seitdem fertiggestellt und zwei sind in der Ausführung begriffen.

Zu weiteren 17 Bahnen sind die Vorarbeiten ausgeführt und zu 5 Bahnen sind dieselben in Angriff genommen.

Auch im Kreis Isenhagen beschäftigt man sich zur Zeit eifrig mit der Kleinbahnfrage; die ländliche Bevölkerung kommt immer mehr dahinter, daß sie die größte Veranlassung hat, mit allen erdenklichen Mitteln bessere Verkehrsverhältnisse anzustreben, weil in keinem anderen Gewerbe die Beförderung von Gütern eine so große Rolle spielt, wie gerade im landwirthschaftlichen.

Nachdem man für die Anlage von Stärkefabriken und Molkereien in den letzten Jahren gegen 11/2 Millionen ausgegeben hat, bricht sich jetzt die Ueberzeugung immer mehr Bahn, daß es unbedingt erforderlich ist, auch noch die Anlage zu machen, durch die Kartoffelbau, Stärkefabriken und Molkereien überhaupt erst wirklich rentabel werden würden.

Die gewaltige Tragweite und Wichtigkeit der Erleichterung und Verbilligung des Verkehrs war hier bislang eben noch nicht genügend erkannt, woran die weiten Wege die Hauptschuld tragen. Bei der augenblicklichen Verkehrslage sind die geistige Anregung, die Erweiterung des Gesichtskreises durch häufigen Gedankenaustausch mit entfernter wohnenden Menschen und der Einblick in die Verhältnisse anderer Gegenden, wodurch doch allein der Vergleich mit der eigenen Lage und die Bildung eines richtigen Urtheils möglich ist, außerdem erschwert.

Die Zurücklegung der Entfernungen kostet zu viel Zeit und Geld.

Eine Bahn Uelzen – Oebisfelde würde gewiß nach jeder Richtung hin einen durchschlagenden Erfolg haben.

Selbst der Staat hätte durch den Ausbau dieser Linie einen directen Nutzen.

Die Gestellung der Fahrposten und Wagen der fahrenden Landboten im Kreise Isenhagen kostet, ganz gering angeschlagen, jährlich 35 000 Mk., und würden diese Kosten nach Erbauung einer Kleinbahn fast ganz fortfallen.

Ferner würden dann viele Reisekosten, Tagegelder u.s.w. für Beamte, Zeugen u.s.w. gespart werden, die jetzt Tausende jährlich ausmachen, weil selbst oft die Reisen hin und zurück (z.B. nach Lüneburg) nicht in einem Tage zu bewerkstelligen sind.

Gerade für die in Frage kommende Bahn dürfte daher auch eine Beihülfe aus dem sog. 5 Millionenfonds (Gesetz vom 8. April 1895; B.S.S. 91 ff.) möglich und zu erhalten sein.

In dem Glauben, daß der vorstehende Vortrag, den ich bereits vor einem Jahre hielt, vielleicht dazu beitragen könnte, das Interesse für eine auch dem Kreise Isenhagen dienliche Kleinbahn zu fördern, gebe ich denselben den Bewohnern des Interessengebietes bekannt.

Postalischer Beleg von Südafrika nach Tülau-Fahrenhort (1901)

Aus dem Jahr 1901 ist ein ungewöhnlicher postalischer Beleg aus dem heutigen Südafrika nach Tülau-Fahrenhorst erhalten. Absender des Umschlages, dessen Inhalt nicht überliefert ist, ist Dr. C. E. Schabbel aus Johannesburg. Adressiert ist das Ganze an Consul H. Schabbel in der Heimhuderstraße 76 in Hamburg. Bei ihm handelt es sich höchstwahrscheinlich um Wilhelm Heinrich Johann Schabbel, der vom König von Preußen am 1. Mai 1869 zum Konsul des Norddeutschen Bundes in Port Elizabeth ernannt wurde.

Abgestempelt ist der Umschlag am 9. Juli 1901 in Johannesburg. Links auf der Vorderseite ist auch noch ein Zensurstempel mit Datum vom 10. Juli 1901 zu erkennen. Auf der Rückseite findet sich dann ein Stempel aus Hamburg mit Datum vom 3. August 1901. Doch der Empfänger war nicht mehr in Hamburg und die Adresse wurde umgeändert auf der Vorderseite mit blauer Tinte in Tülau-Fahrenhorst. Auf der Rückseite wurde mit schwarzer Tinte ergänzt:

z. Zt. Tülau Fahrenhorst

Rittergut Fahrenhorst

Provinz Hannover

[Unterschrift]

Auf der Rückseite wurde der Umschlag dann in Tülau-Fahrenhorst am 5. August 1901 gestempelt. Vermutlich hatte er dann am gleichen Tag den Empfänger erreicht.

Von Südafrika war die Karte insgesamt knapp einen Monat unterwegs – vom 9. Juli bis 5. August 1901.

Tatsächlich gab es eine familiäre Beziehung zwischen Kosul Schabbel und der Familie von Weyhe! Carl Friedrich Wilhelm von Weyhe (1857-1935) war mit Alice Theresa von Weyhe, geb. Schabbel (1862-1949) verheiratet. Sie wurde am 12. Juni 1863 in Port Elizabeth (heute Südafrika) geboren und heiratete am 15. November 1883 Carl Friedrich von Weyhe. Ihr Vater war Wilhelm Schabbel (1822-1910), der Empfänger des Briefes! Wilhelm Schabbel verstarb am 24. Juli 1910 in Hamburg.

Wilhelm Schabbel wurde am 11. November 1822 in Lübeck geboren. Sein Vater war der Bäckermeister Johann Heinrich Schabbel (1784-1851), seine Mutter Maria Elisabeth, geb. Carstens (1789-1855). Wilhelm Schabbel war erfolgreicher Kaufmann in Port Elizabeth und wurde zum dortigen deutschen Konsul ernannt.

Bei dem Absender Dr. C. E. Schabbel handelt es sich wohl um Dr. med. Charles Ernest Schabbel. Er war es, der den Tod des Vaters in Hamburg anzeigte. Er wohnte 1922 in der Wilhelmsburgerstraße in Hamburg. Sein Vater wohnte damals in der Heimhuderstraße 76 in Hamburg – dorthin war auch der Brief von 1901 ursprünglich adressiert!

Nach dem Nationalarchiv von Südafrika war im Jahr 1897 und später ein Dr. C. E. Schabbel als Arzt (Medical Practitioner) registriert. Ein C. E. Schabbel hat im Jahr 1889 den Doktorgrad mit einer Dissertation im Bereich der Gynäkologie an der Universität Heidelberg erlangt. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hierbei um Charles Ernest Schabbel – den Absender aus Johannesburg. Später muss er dann von Johannesburg wieder nach Deutschland zurückgekehrt sein, da er 1922 in Hamburg wohnte.

Auf der Umschlagvorderseite wurde die ursprüngliche Adresse in Hamburg durchgestrichen und durch Tülau Fahrenhorst ersetzt. Links oben ist der Zensurstempel zu sehen. Rechts auf den Briefmarken der Stempel von Johannesburg mit Datum 9. Juli 1901.
Poststempel von Tülau-Fahrenhorst vom 5. August 1901.

Zur Geschichte der Kiebitzmühle

Älteste Erwähnung der Kiebitzmühle

Die älteste bisher bekannte Erwähnung der Kiebitzmühle findet sich im Buch über die Kornrechnung des Achaz von Bartensleben aus den Jahren 1634 bis 1640. Es heißt dort, dass der Kiebitzmüller von Ostern 1638 bis Ostern 1639 20 Himten Roggen im Wert von 18 Groschen als Pacht gezahlt hatte. Leider wird der Name des Müllers nicht genannt. Da die Akte, die sich im Archiv derer von der Schulenburg in Nordsteimke befindet, bisher nicht vollständig gesichtet wurde, ist es gut möglich, dass in einem der anderen dort verzeichneten Jahre der Names eines Müllers erwähnt wird!

In den Protokollen der Ehestiftungen und Verträge des adeligenGerichts Wolfsburg (1643-1655) ist die Ehestiftung des Hanß Meltzians zu Ehra zu finden, die am 27. Oktober 1653 besiegelt wurde. Hanß Meltzian heiratete Anne Kovaln, die Tochter des Kiebitzmüller Hans Covalen. Die Mühle wird als Erbmühle bezeichnet, d.h. die Familie wurde innerhalb der Familie Covaln vererbt, aber die Eigentümer waren die von Bartensleben zu Wolfsburg, an die die Erbmüllerfamilie Pachtzinsen zahlen musste. Hans Covalen gab seiner einer Tochter als Mitgift ein volles Landesrecht, inklusive Ehrenkleidern, Bettgewand, Kisten und Kistengeräten, mit sowie darüber hinaus noch 20 Reichsthaler.

Nach Theo Bosse (Mühlen im Landkreis Gifhorn, 1991) war im Jahr 1662 Hanß Kovally der Müller auf der Kiebitzmühle. Im Jahr 1677 hieß der dortige Müller Heinrich Niebuhr. Sein Name wird auch einige Jahre später im Kontributionsregister der Landreiterei Salzwedel aus dem Jahr 1684/85 erwähnt. Die Kiebitzmühle gehörte damals zu Ehra und lag vom Dorf eine halbe Meile entfernt. Es wird aufgelistet, dass Heinrich Niebuhr damals kein Pferd, aber acht Rinder und 40 Schafe hatte. Mit dieser Erwähnung ist auch klar, dass die Kiebitzmühle auf brandenburgischem Territorium lag. Erst mit dem Vertrag von Wallstawe im Jahr 1692 wurde sie lüneburgisch.

Auf der Karte von Strauss (1688) ist zu erkennen, dass die damalige Landesgrenze direkt an der Kiebitzmühle vorbei lief (braune gestrichelte Linie). Am Kiebitzteich, dem Mühlenteich, verlief ein Weg von Voitze kommend zum Wiesenland. Der Damm am Mühlenteich musste vom Kiebitzmüller so ertüchtigt werden, dass der Weg nutzbar blieb.

In einer Auflistung sämtlicher Schulenburgscher Güter aus dem Jahr 1748 wird die Kiebitzmühle erwähnt. Damals musste der Kiebitzmüller, dessen Name leider nicht genannt wird, jährlich 34 Himten Vorsfeldisches Maß an Kornpacht zahlen. Im Vergleich dazu fielen für die Gödchenmühle nur etwas mehr als 22 Himten jährliche Pacht an.

Die Kiebitzmühle gehörte also denen von Bartensleben zu Wolfsburg und mit Aussterben der Familie von Bartensleben im Jahr 1742 ging die Mühle dann, wie auch alle anderen Güter und Besitztümer derer von Bartensleben, an die von der Schulenburg zu Wolfsburg über.

Die Besitzer der Kiebitzmühle von 1775 bis 1812

In einem Schreiben der Gemeinde Voitze über den Kauf die Kiebitzmühle vom 9. Januar 1823 heißt es:

Die Gemeinde Voitze ist wie Ew. Hochgräflichen Gnaden bekannt seyn wird, seit 1 1/2 Jahren Eingenthümerin der Kiebitzmühle[,] indem sie selbige von dem Müller Georg Baucke für die Summe von 5.500 Thlr. gekauft hat. Es sind der Gemeinde bey dieser Gelegenheit sämtliche Documente und Papiere[,] welche die Mühle betreffen, und unter andern auch die Verkaufsurkunde[,] welche die Gebrüder und Gevetter von Bartensleben auf Wolfsburg im Jahre 1775 dem ersten Käufer der Mühle Joachim Kovhall ausgestellt haben[,] ausgehändigt.


Angeblich sollen die von Bartensleben die Kiebitzmühle im Jahr 1775 verkauft haben. Doch dies kann gar nicht möglich gewesen sein, da die Familie von Bartensleben mit dem Tode des Gebhard Werner von Bartensleben am 6. Januar 1742 im Mannesstamm erloschen ist. Alleinerbin war die Tochter Anna Adelheid Catharina, die seit 1718 mit Adolph Friedrich von der Schulenburg (1685-1741) verheiratet war. Ihre Kinder begründeten den Wolfsburger Zweig der Adelsfamilie von der Schulenburg. Adolph Friedrich von der Schulenburg erhielt am 7. Dezember 1728 den erblichen Titel Reichsgraf durch Kaier Karl VI.

Die von Bartensleben können also die Kiebitzmühle 1775 gar nicht verkauft haben. Wenn wir davon ausgehen, dass die Jahreszahl des Verkaufs stimmt, dann war der Verkäufer Gebhard Werner von der Schulenburg (1722-1788), der Begründer des Wolfsburger Zweiges des Beetzendorfer Astes des Adelsgeschlechts derer von der Schulenburg.

Die Gründe für den Verkauf der Mühle sind unklar. Der erste Käufer der Kiebitzmühle war Joachim Kovhall. Er war jedoch längstens bis März 1778 Eigentümer der Mühle.

Im März 1778 wird als Kiebitzmüller Johann Heinrich Mundschwitz genannt. Wann und wie genau er Mühlenbesitzer wurde, ist unklar. Fest steht, dass er 1778 gegen die Gemeinden Voitze und Wiswedel wegen der Befestigung des Mühlenteichdammes klagte. Der Kläger verlangte, dass sich die Gemeinden Voitze und Wiswedel an der Befestigung des Dammes beteiligen sollten. Jedoch wurde die Klage zu seinen Ungunsten entschieden. Das Gericht Brome verpflichtete den Müller, den Damm in einen so tüchtigen Zustande zu versetzen, dass das Wasser aus dem Teich den Fuhrweg nicht beschädigen könne. Müller Mundschwitz hatte den Mühlenacker an einen gewissen Wiesensee verpachtet.

Die Kiebitzmühle auf der Kurhannoversche Landesaufnahme (1779). Nördlich der Mühle ist der heute nicht mehr existierende Mühlenteich zu sehen.

Der Kiebitzmüller Mundschwitz verstarb wohl im Jahr 1799. Seine Witwe verpachtete die Mühle vermutlich am 24. Mai 1799 an den Müller Matthias Uhlenhaus, danach an den Müller Habekost. Er verstarb wohl im Jahr 1803.

Die Witwe Mundschwitz verpachtete die Mühle dann an den aus Tiddische gebürtigen Müller Gebhard Müller von 1803 bis 1809. Die Übergabe der Mühle verzögerte sich allerdings aus nicht genannten Gründen, in denen Müller weiterhin Pächter blieb. Der Müller Gebhard Müller scheint in dieser Zeit auch seinen Schwiegervater Leopold, der ebenfalls Müller war, auf der Kiebitzmühle beschäftigt zu haben. Er wird in einigen Zeugenaussagen als Pächter bzw. Mitpächter der Kiewitzmühle bezeichnet.

Mit auf der Kiebitzmühle lebte Anne Elisabeth Rentelmann, die im Jahr 1826 66 oder 76 Jahre alt gewesen sei, „daß wiße sie nicht genau“. Sie war 1826 in Miesterhorst wohnhaft und lebte vom Nähen und Spinnen. Sie lebte von 1796 bis 1816 auf der Kiebitzmühle. Der Müller Mundschwitz war mit ihrer Schwester verheiratet, er war also ihr Schwager. In den ersten vier Jahren wohnte sie bis zu seinem Tode mit in der Mühle und im Anschluss daran bis 1816 mit ihrer Schwester auf dem Altenteil. Ihre Schwester verstarb an Johanni (24. Juni) 1816 .

Die Mühle wurde 1812 verkauft an den Müllermeister Johann Georg Baucke. Gebhard Müller verließ im April 1812 die Kiebitzmühle und arbeitete bis mindestens Ende 1820 in der Hoitlinger Mühle.

Die Mühle im Besitz der Gemeinde Voitze

Am 18. Mai 1821 kaufte die neun Eingesessenen (Hofbesitzer) zu Voitze gemeinschaftlich die Kiebitzmühle aus der Konkursmasse des Müllers Johann Georg Baucke zum Preis von 5.500 Reichsthalern.

Die Eingesessenen verpachteten zunächst die Mühle an Wilhelm Rentelmann. Dieser Vertrag wurde aus bisher unbekannten Gründen 1827 nicht verlängert. Neuer Pächter wurde der Vorsfelder Müller Gebhard Masche (Ostern 1827 bis Ostern 1833). Die Pachtbedingungen lauteten:

  • jährlich 5 1/2 Wispel reinen Roggen an die Verpächter;
  • 12 Gute Groschen Grundsteuer;
  • zwei Pfund Butter zu Ostern an den Bromer Pastor und
  • ein Viertel Schock (Schock = 60 Stück; also 15 Stück) Enteneier an das Gut Fahrenhorst.

Am 8. Februar 1834 verkauften die Eigentümer, nämlich die neun Voitzer Gemeindemitglieder, die Kiebitzmühle an Graf Gebhard Friedrich Werner von der Schulenburg-Wolfsburg für 3000 Reichsthaler in Gold und 500 Reichsthaler in konventioneller Münze.

Die Mühle im Besitz derer von der Schulenburg-Wolfsburg

Bis 1840 mussten die Besitzer der Kiebitzmühle (bzw. deren Pächter) jährlich ein Mandel Enteneier (Mandel = 15 Stück) an die von Weyhe in Fahrenhorst abgeben, nach der Behauptung des Berechtigen aber ein halbes Schock (Schock = 60 Eier) Hühnereier. Diese Abgabe wurde durch einen Ablösungsvertrag zwischen Graf Friedrich Werner von der Schulenburg und von Weyhe durch eine einmalige Zahlung von 4 Thalern 4 Groschen abgeschafft.

Die Familie Masche war bis kurz nach 1900 Pächter der Kiebitzmühle. Sie beendete den Pachtvertrag, zog nach Voitze und baute ein Haus am Ortsausgang nach Tülau.

Hier befand sich einst das Mühlrad der Kiebitzmühle. Zeichnung von Horst L. Weber (undatiert)
Kiebitzmühle um 1960. Der Mühlenteich nördlich des Mühlengebäudes existiert heute nicht mehr.

Die Kiebitzmühle befindet sich heute nicht mehr im Besitz des Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg. Sie wurde im April 1995 verkauft. Sowohl das ehemalige Wohnhaus als auch das Mühlengebäude werden heute (2024) als Wohnhäuser genutzt. Die Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz.

Links waren einst der Zulauf aus dem Mühlenteich und das Wasserrad. Das Mühlengebäude präsentiert sich heute hübsch saniert. (Foto 2020)

Die Entstehung des adeligen Gerichts Fahrenhorst

Die Entstehung des adeligen Gerichts Fahrenhorst ist eng mit der Geschichte der Burg Brome verbunden. Deshalb werde ich zunächst kurz die Geschichte der Burg Brome im 15. und 16. Jahrhundert erläutern.

Burg und Flecken Brome im 15. Jahrhundert

Die Geschichte der Burg und des Fleckens Brome ist für die Zeit des Mittelalters noch nicht besonders gut erforscht. Fest steht, dass die Burg Brome zum ersten Mal im Jahr 1203 erwähnt wurde. Es gab dann in den folgenden 200 Jahren mehrere Besitzerwechsel. Von 1438 bis 1489 waren Burg und Flecken im Pfandbesitz der Stadt Lüneburg. Diese verpfändete beides ab 1451 für 10 Jahre an Günther von Bartensleben. Der Vertrag wurde dann immer wieder verlängert, bis er schließlich von der Stadt Lüneburg 1489 gekündigt wurde. Am 10. August 1492 wurde Fritz V. von der Schulenburg durch Heinrich, Herzog von Braunschweig und Lüneburg, mit Burg und Flecken Brome belehnt. Fritz V. verpflichtete sich im Lehensvertrag dazu, die Burg auszubessern und auszubauen.

Fritz V. von der Schulenburg

Fritz V. von der Schulenburg wurde wohl 1466 geboren und verstarb wahrscheinlich 1505. Er war der 2. Sohn Bernhards VIII. aus dem mittleren Hauptzweig der weißen Linie derer von der Schulenburg. Er wohnte in Beetzendorf und war mit Armgard, Tochter des Ludolph von Alvensleben verheiratet. Fritz V. scheint kein guter Wirtschafter gewesen zu sein, denn bei seinem Tod waren alle Güter verpfändet. Seine Witwe litt große Not und bewirkte durch Kurfürst Joachim, dass sie die Güter ihres Mannes verwalten und nutzen durfte. So wurde sie ein wenig für die durch sie in die Ehe eingebrachten Besitztümer entschädigt.

Fritz VII. von der Schulenburg

Fritz VII. von der Schulenburg, dessen Geburtsjahr wir nicht kennen, war ein Sohn Fritz V. von der Schulenburg. Fritz VII. erbte Burg und Flecken Brome. Er war verheiratet mit Anna von Krammen. Die beiden hatten zehn Kinder. Die Söhne Levin und Curt ertranken 1548 im Graben der Burg Brome. Drei weitere Söhne werde später noch eine Rolle in Fahrenhorst spielen.

Fritz VII. von der Schulenburg war, ebenso wie sein Vater, kein guter Wirtschafter. Bereits von seinem Vater hatte wohl einen Haufen Schulden geerbt.

Um die Einnahmesituation zu verbessern, hat Fritz VII. von Schulenburg zwischen 1529 und 1548 das seit dem Mittelalter wüste Dorf Nettgau wieder besiedeln lassen. Eine erfolgreiche Wiederbesiedlung bescherte ihm dann Einnahmen von den dort ansässigen Siedlern.

Irgendwie muss auch die Steimker Mühle zwischen 1516 und 1530 in den Besitz Fritz VII. gelangt sein, denn er verkauft im Jahr 1530 für 32 lübische Mark eine Roggenpacht aus der Mühle an das Kloster Diesdorf. Im selben Jahr verkaufte er an das Kloster Diesdorf Hebungen aus dem Dorfe Holzhausen – das liegt nördlich von Diesdorf.

Aber diese Verkäufe konnten den wirtschaftlichen Niedergang nicht mehr aufhalten. Die beiden Dörfer Nettgau und Zicherie verkaufte er im Jahr 1548 an Georg von Wense und Dietrich Behr. Seinen Anteil an den Besitzungen in Beetzendorf, dem Stammsitz der Familie von der Schulenburg, verkaufte er an seinen Verwandten Levin I. von der Schulenburg. Damit war der mittlere Hauptzweig der weißen Linie aus Beetzendorf ganz ausgeschieden.

Schließlich musste er an Weihnachten 1548 die Burg Brome mit allen Besitzungen an Christoph von dem Knesebeck verkaufen. Ausgenommen von diesem Verkauf waren die Tülau, Fahrenhorst und Croya sowie die Landtzmans Mühle im Tülauer Holz. Diese Dörfer schieden damit aus dem Gericht Brome aus und es wurde das eigenständige adelige Gericht Fahrenhorst eingerichtet. Hier wurden sowohl die niedere als auch die höhere Gerichtsbarkeit ausgeübt. Es gab sogar einen Galgen östlich der Straße nach Croya, an dem Todesurteile vollstreckt wurden.

Hohe Schulden und Forderungen

Doch auf der Verkauf von Brome reichte nicht aus, um alle Schulden zu tilgen. Als Beispiel sei hier nur die offene Forderung von Johann von der Assenburg erwähnt. Johann wurde vom Hof zu Celle aufgefordert, auf seine Forderungen gegenüber Fritz VII. zu verzichten. Diesem stimmte Johann auch zu. Die Schulden beliefen sich auf im Jahr 1552 auf über 830 Gulden.

Doch es gab noch weitere Forderungen. So hatte sich Fritz VII. von der Schulenburg wohl im Jahr 1538 von dem Grafen Gebhard von Mansfeld 2600 Mark geliehen. Ein gewisser Johan Powisken ist dann in den Besitz dieser Forderung gelangt. Die Höhe der Forderungen belief sich inklusive Zinsen auf 3510 Mark. Davon waren nach 1548 noch 524 ½ Mark ausstehend.

Schließlich verklagte Werner Haenen auf Basedow 1572 die Witwe von Fritz VII. von der Schulenburg  und deren Söhne auf Abtretung des Gutes Fahrenhorst. Auch seine Forderung resultierte aus nicht beglichenen Schulden, die Fritz VII. bei Johann Bowischen in Holstein angehäuft hatte. Sie beliefen sich auf 811 Thaler. Werner Haenen verlangte die vorübergehende Besitzeinweisung in das Gut Fahrenhorst, was jedoch abgelehnt wurde.

Neue Probleme

Auch nach dem Verkauf von Brome konnte Fritz VII. keine Ruhe in Tülau genießen, denn es kam zu einem Streit über die Nutzung der wüsten Feldmark Schürnau, die zwischen Tülau und Zicherie liegt. Fritz VII. argumentierte, dass diese Feldmark aus dem Besitz der Burg Brome mit ausgeschieden sei und ihm gehöre. Christoph von dem Knesebeck dagegen beharrte aus seinen Besitzansprüchen als Besitzer der Burg Brome. Schließlich kam es erst nach dem Tod von Fritz VII., der wohl 1559 gestorben ist, im Jahr 1567 zu einem endgültigen Urteil, welches zu Gunsten derer von Knesebeck ausfiel.

Auch mit den Tülau Untertanen lebte Fritz VII. nicht im Frieden. Nachdem er die Tülauer Teiche hat anlegen lassen, beschwerten sich die Tülauer Bauern im Jahr 1556, dass sie für diesen Verlust an Wiesenflächen nicht wie vorgesehen entschädigt wurden – und sie bekamen vom Hof zu Celle auch Recht. Bei den Klagen der Tülauer Bauern ging es aber nicht nur um die verlorengegangenen Wiesen, sondern auch um die Mastung im Tülauer Holz. Der Bromer Pastor vermittelte zwischen den beiden Parteien und tatsächlich wurde auch ein Kompromiss über die Zuweisung von Ersatzflächen und über die Mastung im Tülauer Holz getroffen. Jedoch hielt sich Fritz VII. nicht an diese Vereinbarung und der Hof zu Celle forderte ihn in einem Schreiben im Jahr 1556 zur Einhaltung auf. Im Jahr 1558 wandte sich Fritz VII. dann mit der Bitte an die Räte zu Celle, das Gut und Dorf Tülau verkaufen zu dürfen, weil er auf Grund der zahlreichen Forderungen der Tülauer Bauern dort nicht leben könne. Diese Genehmigung zum Verkauf wird ihm jedoch verwehrt – auch mit dem Verweis, dass er verpflichtet sei, den Bauern das Ihre zu geben, da er ihnen die Wiesen weggenommen hatte. Über deren Verhalten könne er sich nicht beschweren, da sie arme Leute wären.

Die letzten derer von Schulenburg auf Fahrenhorst

Der Besitz von Fritz VII. von der Schulenburg hatte sich also bis zu seinem Lebensende auf die Dörfer Tülau-Fahrenhorst und Croya reduziert. Seine Söhne Heinrich VII., Christoph VIII. und Burchard von der Schulenburg lebten nach dem Tod des Vaters in Fahrenhorst. Christoph VIII. verstarb am 11. Dezember 1613 im Alten von 83 Jahren. Sein 86-jähriger Bruder Heinrich VII. starb am 18. Dezember 1613. Beide wurden gemeinsam in der Altendorfer Kirche beigesetzt. Der Grabstein Heinrichs VII. liegt rechts vor dem Altar.

Entzug des Lehens und Familie von Weyhe auf Fahrenhorst

Heinrich VII. von der Schulenburg war bis zu seinem Tode Besitzer von Fahrenhorst. Da Heinrich VII. und Christoph VIII. kinderlos und zudem hoch verschuldet waren, blieb das Lehen über Fahrenhorst nicht in der Familie von der Schulenburg.  Bereits im Jahr 1602 sagte Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg dem Wilhelm von Weyhe die Belehnung mit Fahrenhorst nach dem Ableben von Heinrich VII. von der Schulenburg zu.

Mit dem Tode Heinrichs VII. am 18. Dezember 1613 war es dann so weit: Wilhelm von Weyhe konnte Fahrenhorst nun als Lehen übernehmen. Hiervon zeugt noch heute ein Gedenkstein auf dem Gut Fahrenhorst, auf dem die Inschrift „18. December 1613“ eingemeißelt ist. Bis heute, also über 400 Jahre später, befindet sich das Guthaus Fahrenhorst im Besitz der Familie von Weyhe.

Gedenkstein zur Übernahme des Gutes Fahrenhorst am 13. Dezember 1613 (Foto: Detlev E. Deipenau)

„Wölfe – auch schon damals“

Der letzte Wolf im Landkreis Gifhorn wurde im Jahre 1956 bei Boitzenhagen erlegt. Danach gab es Jahrzehnte lang in den heimischen Wäldern und Fluren keine Wölfe mehr, erst seit 2017 gilt ihre Rückkehr im hiesigen Raum als gesichert.

Die kontroverse Debatte darüber konnte man in verschiedenen Medien verfolgen, angefeuert von den jeweils unterschiedlichen Interessenlagen und Standpunkten.

Mich interessierte, welche Erfahrungen die Menschen unserer Region in früheren Zeiten mit dem Wolf gemacht hatten. Dazu bin ich bei dem Bromer Heimatforscher Karl Schmalz, der sich mit vielen Aufsätzen zur Heimatgeschichte verdient gemacht hat, fündig geworden.

In der Zusammenfassung seiner Aufsätze befinden sich die Berichte „Eine Wolfsjagd im Ehraer Holz“, „Wolfsplage vor 300 Jahren“, „Wolfsjagd zwischen Radenbeck und „Tesekendorf“ und „Wölfe – auch schon damals“.

Der Wolf hatte besonders damals, aber auch heute noch, für viele Menschen das Image des gefährlichen und blutrünstigen Raubtieres. Als Nahrungskonkurrent, der das kostbare Vieh der Bauern und der kleinen Leute riss, wurde er verfolgt und wenn möglich, zur Strecke gebracht. 

Auch wenn es in der Beschreibung über die Wolfsjagd in Ehra vor allem darum geht, wer damals das Jagdrecht in unseren heimischen Wäldern hatte, so erfährt man in der Vernehmung von Ehraer Bürgern durch den Knesebecker Amtmann im März 1702 doch etwas über die Methode dieser Jagd.

Dazu wurden Leinen mit Lappen versehen und zwischen Bäume gespannt, um die Tiere in eine bestimmte Richtung zu lenken. Konnte ein Wolf entwischen, war er „durch die Lappen gegangen“. Zwischen den Bäumen wurden zudem Netze aufgestellt, in die die Wölfe getrieben werden sollten. Jagdhelfer stiegen auf Bäume und hielten von dort oben Wache. Wurde ein Wolf gesichtet, sollte er in den nach und nach enger gestellten Netzen gefangen und erlegt werden.

So war auch der Plan damals in Ehra. Besonders erfolgreich war das in diesem Falle nicht, denn obwohl die Jäger acht Tage lang zum Schießen ausgezogen waren, bekamen sie keinen Wolf zu Gesicht und damit auch keinen vor die Flinte.

Eine andere Jagdmethode war die Jagd mit Wolfskuhlen. Dicht an der Grenze zur Bromer Gemarkung gibt es sowohl eine „Große Wolffs Kuhl“ als auch eine „Kleine Wolffskuhl“.  Die Bezeichnungen deuten darauf hin, dass die Jagd mit Fallgruben auch hier durchgeführt wurde.

In die getarnten Gruben (Kuhlen) wurde der Wolf getrieben und konnte aus eigener Kraft nicht mehr entkommen. Das gefangene Tier konnte entweder gleich getötet oder lebend entnommen werden und einer Jagdgesellschaft zugeführt werden.

Wolfsjagden waren ein Teil des adligen Lebens und erfreuten sich in diesen Kreisen großer Beliebtheit „… Eß werden die vf künfftigen vnserm Beylager zur Lust benöthigte Wölffe in Vnsern Landen nicht mehr zu erlangen stehen“, sorgte sich Herzog Christian Ludwig in einem Schreiben vom März 1653 an seinen Oberforst- und Jägermeister Georg von Wangenheim.

Die lebend gefangenen Wölfe wurden in extra hergerichteten Gehegen für dieses besondere „Jagdvergnügen“ solange gehalten, bis wieder eine herrschaftliche Wolfsjagd anstand.

Damit wurde deutlich, dass es längst nicht nur darum ging, das Vieh zu schützen, sondern „wieder einmal in Abenteuerlust die Aufregungen einer Wolfsjagd genießen zu können“, wie Karl Schmalz bilanzierte.

Bei den abkommandierten Jagdhelfern der adligen Jagd hielt sich die Begeisterung über den Einsatz dagegen in Grenzen.

Zur Wolfsjagd wurde stets ein starkes Aufgebot an Helfern benötigt. Weil die sich nur schwerlich freiwillig bereit fanden, griff der Adel zum verpflichtenden Mittel der „Landfolge“. Dazu gab es eigens aufgestellte Listen, in denen die zur Landfolge aufgestellten Männer aufgeführt wurden. Allein das Amt Knesebeck zählte im Jahre 1663 ganze 245 Mann, die unbefristet und ohne Entlohnung aufgerufen werden konnten.

Probleme hat es für die Bauern und Tierhalter durch den Wolf immer wieder gegeben. Die im März 1647 erfolgte Meldung durch einen Thomas Daume aus dem Amt Lüne berichtete sogar von einem Angriff auf eine Frau. Der Wolf soll ihr nach dem Aufstehen nach der Kehle gefasst haben und wurde von dem herangeeilten Gesinde erstochen.

In einem anderen Fall hatte der Pfarrer von Jeggau im Jahre 1659 ins Kirchenbuch eingetragen: „Ein Wolf hat… den Schulzen Hans Mumme beim Anfahren des Holzes für den Prediger, im Dorf angegriffen, so daß er elendiglich gestorben“.

Wie es zu den Zwischenfällen gekommen war, sowie die näheren Umstände der Attacken, wurde leider nicht festgehalten.

Bei zahlreichen früheren Berichten aus Geschichte und Literatur, in denen über Wolfsattacken auf Menschen durch bis zu 20 Tiere starke Rudel geschrieben wurde, handelt es sich ganz sicher um Übertreibungen.

Wölfe leben im Familienverbund, ähnlich dem Menschen. Im Alter von 11 bis 12 Monaten verlassen die Jungtiere ihr Rudel um sich ein neues Revier und einen Partner zu suchen, mit dem sie eine eigene Familie gründen können. Bei dieser Suche legen sie lange Strecken zurück. Thomas Pusch, der Sprecher des Landesfachausschusses Wolf beim Naturschutzbund in Nordrhein-Westfalen erklärte, „Ein Wolfsrudel besteht aus acht bis 10 Tieren, die auf einem Gebiet von 250 Quadratkilometern leben. Größer wird das Rudel nicht, denn „Es gibt eine Inzuchtsperre…“

In dem Aufsatz über die „Wolfsjagd zwischen Radenbeck und „Teskendorf“ wird davon berichtet, dass bei einer offenbar ungenehmigten Wolfsjagd ein zwölfjähriger Junge versehentlich angeschossen wurde, so dass er 5 Tage später verstarb. Ansonsten wird vermerkt „nichts gesehen, nichts gefangen und nichts geschossen“.

Aus dem vierten Bericht von Karl Schmalz über „Wölfe – auch schon damals“, erfahren wir, dass es in der hiesigen Gegend bis in die neuere Zeit immer wieder Wolfsjagden gegeben hat. So wurden ein „großer Ehraer Wolf“ im Dezember 1824 und ein Schönewörder Wolf 1871 bei Erpensen erlegt.

Schmalz vermutete, die Bezeichnung Wolf könnte früher allgemein als Synonym für wilde Tiere gebraucht worden sein, so dass nicht immer ganz eindeutig war, ob es sich bei dem „Übeltäter“ tatsächlich um einen Wolf handelte.

Aus unserer Natur ist der Wolf inzwischen nicht mehr wegzudenken. Weder sollten wir ihn romantisieren, noch unbegründete Ängste schüren. Ob Karl Schmalz das wohl auch so gesehen hätte? Wohl nicht, dazu war er, der 1966 gestorben ist, wohl doch zu sehr der Denkweise seiner Zeit verpflichtet, in der „der letzte Gifhorner Wolf“ als gefährliches Raubtier erlegt wurde.

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