Immer näher rückte die Pest. Am 9.7.1681 hat sie Magdeburg erreicht, fünf Tage später schon Gardelegen, und dann wird sie aus Calvörde und Flechtingen gemeldet, und immer wieder kommt Nachricht über neue Erkrankungen aus Städten, wo man die Seuche schon als wieder erloschen angesehen hatte, am 26.11. aus Staßfurt, am 14.12. aus Nordhausen und am 13.1.1682 aus Halle usw., und immer schärfere Sicherungen werden angeordnet. Am 2.7.1681 verbietet Celle den Handel mit Magdeburg, am 23. des gleichen Monats wird angeordnet, daß Arbeiter, die zur Ernte ins Magdeburgische gewandert sind, bei ihrer Rückkehr erst eine „Garantaine“ durchmachen müssen, am 1.8. wird den Gifhornern befohlen, die Jahrmärkte zu schließen. Und dann kommt bald der Tag, wo man nicht mehr ein und aus weiß, und wie während des dreißigjährigen Krieges bittet der Herzog seine Untertanen, die Hilfe Gottes anzurufen: Am 13.8.1681 verfügt Celle, daß „jedermann zu fleißiger Besuchung des Gottesdienstes / so viel möglich / angehalten  werde“. Doch man unterläßt es auch künftig nicht, neue Sicherungen gegen die Pest anzuordnen: Vom 15.8. ab darf kein Korn mehr aus Vorsfelde,  Hehlingen und Calvörde eingeführt werden, vom 13.9. ab müssen die Ämter alle 14 Tage melden, welche Krankheiten in den Ortschaften ihres Bezirks in den vergangenen zwei Wochen festgestellt worden sind; am 10.10. befiehlt die Regierung, bei den geringsten Anzeichen einer Erkrankung an Pest die Dörfer und in den Dörfern die Häuser der Erkrankten sofort zu sperren, und am 13.1.1682  wird die „strengste Abschnürung der Grentze“ befohlen.

Die strengste Abschnürung! Und da schlägt die Bombe ein: Am 4.2.1682 meldet aus Tiddische der dortige Paßschreiber Hannß Jürgen Lütherr nach Gifhorn: „Wie von den Corporal von Rittm. Freywabells Compagnie gestern gehöret, haben sie von Rittmeister ordre bekommen, daß die patrollirenden Reuter die leute von Ehra nicht sollen paßieren laßen, weill zu Ehra in einem Hauß… 7 Stück Rindtvieh, auch alle die Schweine, Gänße undt Enden gestorben, auch ist Ein  Mann aus dem Ambt Kneßbeck von Schnefling In diesen Hauß zur Ehra geweßen, daß andern Tages gestorben, undt wie Ein Haußman aus Tiddische sagt sey Ihm auch vom Grentzschreiber zu Witting verbotten worden, den Zoll, wenn Er Korn nach Witting bringt selber nicht mehr nach Ehra zu bringen, sonst soll Er nicht zu Witting gelaßen werden. Alß Erwarte Ich befehle ab die leute von der Ehra allhier sollten durch pashiret werden undt werde sie so lang anhalten biß daß Ich ordre bekomme“. Celle hat bereits von anderer Seite Meldung erhalten; in einem Schreiben vom gleichen Tage wollen die Räte dem Amt Gifhorn nicht „vorenthalten“, „wasgestalt alhir einige nachricht eingelauffen, alß wan das in der Marck Brandenburg belegene Dorf Ehra der contagion halber verdachtigt, und ohnlängst ein und ander persohn daselbst schleunig gestorben sein soll“. Das Amt Gifhorn muß sich nun „fleißig erkundigen, mit den Offizieren und Beamten correspondiren“, – so lautet der Auftrag von Celle – und nötigenfalls „mitt den Füßen die notige anstalt machen“.

Ehra sieht das Grauen kommen. Der Markt in Gifhorn gesperrt, die drei Dörfer Lessien, Ehra und Wiswedel als „brandenburgischer Tractus“ abgeriegelt! Kein Handwerker ist also zu erreichen, kein Kaufmann! Wohl dürfen die Gifhorner seit dem 14.11.1681 ihre Märkte wieder abhalten; aber wer sich durch seinen Paß nicht als lüneburgisch ausweisen kann, kommt nicht in die Stadt. Und schon immer hat man doch in Gifhorn Vieh verkauft, um in der Altmark und im Braunschweigischen Korn einhandeln zu können! Wovon soll man leben? Und dann die Kirche! Nun ja, man hat seine Zöllner. Den einen in Wiswedel, den anderen in Ehra; aber die beiden Zöllner können den Bromer Pfarrer nicht ersetzen. Wer soll die Toten beerdigen, wer die Neugeborenen taufen?

Seit dem Sommer 1681 sieht es schlimm in Ehra aus. Doch was wird nun kommen! Wie ist es denn vor einem Vierteljahr in Tappenbeck gewesen, als dorthin „die leidige Seuche durch einen Kerl, so im Magdeburgischen gearbeitet, verschleppt“ worden war und dann nach Gifhorn gemeldet werden mußte, daß in einem Hause vier Mann, die am Tage zuvor auf der Wolfsburg noch Herrendienste getan hatten, tot umgefallen seien? Da hat Celle sofort scharf zugegriffen und angeordnet: 1) Außerhalb des Dorfes sind sofort Hütten zu bauen, „jedoch eine zimbliche distanz voneinander“, dorthin haben sich die Pestkranken zu begeben und auch die Pestverdächtigen, ohne auch nur den geringsten Gegenstand aus ihren Häusern mitzunehmen, auch nicht die Kleidung, die sie bislang auf dem Leibe getragen, 2) Alle Häuser, in denen die Pest sich gezeigt hat, müssen ohne Verzug mit allem, was darinnen vorhanden ist, „biß auf den Grund abgebrannt werden“.  Um eine allgemeine Feuersbrunst zu vermeiden, hat man vorher die „nächstgelegenen gesunden Häuser abzubrechen“, sofern es nicht genügt, nur die Strohdächer einzureißen. 3) Jeder Verkehr von Haus zu Haus und erst recht der der Gesunden mit den Kranken bleibt verboten. Und das Dorf wird umstellt, so daß niemand Zugang haben und auch niemand flüchtig werden kann. Es sind wirklich Tage des Grauens, was die Ehraer vor sich sehen; denn bestimmt wird der Große Kurfürst für Ehra noch schärfere Anordnungen befehlen als die Celler in Tappenbeck. Doch – das Schicksal geht vorüber, wie es vor einem Vierteljahr auch Tappenbeck nicht geschlagen hat. Hier wie dort: Es war nicht die Pest. Am 11.12.1682 kann Gifhorn nach Celle melden, man habe „bei dehme nahe dabei wohnende von Bartensleben auf Wolfsburg und Brohme mit fleis erkundiget vndt nachricht erhalten“, daß das Unheil ausgegangen ist von einem Ochsen, der „aus Anschein von bösen Leuten vergiftet, oder gar bezaubert worden“. „Nachdem er aus dem Troge beim Brunnen gesoffen“, habe er sich krank gezeigt; er sei darum geschlachtet worden, dabei aber angemercket, das Er inwandig gantz ungesundt“. Schweine und Hühner, die von dem Blut gefressen haben, – so meldet das Amt weiter – sind „eilig gestorben“, und beim Schlachter sind am Arm „einige blattern aufgestoßen, so aber wieder curiret sein“. Wichtig ist die Feststellung, es habe kein Mensch durch die Pest „den Todt genommen“, der eine sei am Schlag, der andere eines natürlichen Todes gestorben. Schon 2 Tage danach kommt von Celle der Bescheid: „…könnet Ihr die darin wohnende Leute in diesem Land pashiren laßen“. Dabei wird noch einmal der ganze Vorfall geschildert, über den Celle augenscheinlich auch von anderer Seite Nachricht erhalten hat; nicht vergessen ist, auf den „vergiftet oder bezaubert gewesenen Ochsen“ hinzuweisen, und nicht vergessen ist auch die Anordnung, bei dem geringsten Verdacht einer Erkrankung an Pest, dafür zu sorgen, „daß die von solchem Dorff kommende leute zurück gewiesen, und von diesem Lande abgehalten werden mögen“.  Das ist also noch einmal gut gegangen.